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Die Autorität des Vaters als das geistliche Zentrum der Familie

7. November 2009
Delkeskamp-Hayes, Cornelia

Welche fehlgeleiteten moralischen Werte lenken Frauen von ihrer Heiligung ab? Welche sozialdemographischen Probleme brachte die liberale Gleichberechtigung von Mann und Frau mit sich? Ist der Gehorsam ein versklavendes Joch oder der Hauptweg zur Selbstverwirklichung des Menschen? Frau Cornelia Hayes lädt uns ein, über diese und andere Aspekte der biblischen Anthropologie gemeinsam zu reflektieren.

Hochverehrte Väter, liebe Brüder und Schwestern in Christo!

Ich stehe vor Ihnen mit großer Dankbarkeit für Ihre Einladung, die es mir erlaubt, Rußland zu erleben und einige seiner Klöster zu sehen. Zugleich stehe ich vor Ihnen als theologischer Laie, und überdies als Frau, der der Heilige Paulus das Lehren verbietet (1.Tim.2:12). Nun hat Vater Alexander meinen Vortrag gesegnet und ich könnte fröhlich loslegen mit dem, was mir aufgrund meiner westeuropäischen Erfahrungen am Herzen liegt. Aber ich muß noch eine Einschränkung vorausschicken: Alles, was ich zu sagen habe, ist nichts weiter als eine Anmerkung zu dem, was Seine Eminenz Patriarch Kyrill von Moskau und ganz Rußland in Kapitel X seines Sozialen Grundkonzepts bereits in vollständiger, ausgewogener und inspirierender Weise ausgeführt hat. 

Wenn alles schon gesagt ist, warum weiter darüber reden? Zwei Gründe. 

Zum einen sind manche Wahrheiten schwer verdaulich. Zu den am schwersten verdaulichen Wahrheiten für einen jungen Menschen gehört die Einsicht, daß die Alten mit ihren Warnungen recht haben. Eine Gesellschaft, die aufbricht in ein liberales, demokratisches, plurales Zeitalter mag sich in gewisser Hinsicht wie ein jugendliches Volk erleben. Es befreit sich vielen Zwängen der Vergangenheit. Von denen, die heute in Rußland nach Europa blicken, wird die Väter-Generation der Ex-Kommunisten nicht mehr als Autorität anerkannt, - ebenso wie in den 50er und 60er Jahren die Vätergeneration der Ex-Nationalsozialisten nicht mehr anerkannt wurde. Hier in Rußland tauchen überdies seit dem Fall des Kommunismus Großväter auf, die an ganz uralte Weisheiten über den Sinn des Lebens und die Wurzeln der russischen Kultur erinnern. Sie wollen sich in Vielem dem neuen Aufbruch nicht anpassen. Sie haben über das kulturell, sozial und politisch so anziehende Europa nichts Gutes zu sagen. Wird man auf die Autorität dieser Großväter hören? In dieser Situation mag es lohnen, von denen zu hören, die mit Europa ihre Erfahrungen gemacht haben. Man kann vieles an Europa schätzen: seine Rechtstradition, seine Verfahrenstreue, seine Solidaritätskultur, seine innovationsfördernde Marktwirtschaft. Trotzdem muß man als Christ viele Aspekte der zutiefst säkularisierten Kultur der Liberalität in Europa kritisieren. Ich beschränke mich auf einen dieser Aspekte: die Heilige Kuh der westlichen Zivilisation, die Gleichberechtigung von Mann und Frau, in ihren Konsequenzen für das Zusammenleben der Geschlechter und die Familie.  

Der zweite Grund: mir scheint, daß man dieser Heiligen Kuh noch ein wenig energischer zu Leibe rücken muss, als dies das Soziale Grundkonzept tut. In den häufig erscheinenden Verlautbarungen des Vatikans zu sozialen Fragen wird der Beitrag der Frauen zu Kultur, Wissenschaft, Wirtschaft, und Politik ebenso lobend hervorgehoben wie ihre Rolle als Mutter. Das läßt die Frage der von Christen gesetzten Prioritäten offen. Im Sozialkonzept Ihres Patriarchen wird die Priorität der Mutterrolle Rolle anerkannt, auch die Führungsverantwortung des Ehemanns wird bejaht. In meinem Beitrag möchte ich dafür plädieren, hierin noch entschiedener der Theologie der Väter zu folgen. 

Anlass dieser Konferenz ist, wenn ich das richtig verstehe, die dramatische Alterung moderner Gesellschaften. Überall wird heute versucht, dieser Entwicklung durch ökonomische und infrastrukturelle Anreize entgegenzuwirken. Überall sucht man, Frauen die Vereinbarkeit von Mutterschaft und Beruf zu ermöglichen. Das bedeutet: die Produktion von Kindern wird gefördert, aber ihre Aufzucht wird in öffentliche Einrichtungen verlegt.  

Als orthodoxe Christen unterscheiden wir zwischen den Interessen des Staats und unserer göttlichen Berufung. Die Kirche läßt das Wohlergehen des Staats nicht außer acht, stellt ihre diesbezügliche Sorge aber in den Rahmen ihres primären Auftrags. Wenn Gott Mensch geworden ist, damit Menschen vergöttlicht werden können (Athanasius von Alexandria, De incarnatione § 54.3), dann stehen auch demographische Fragen im Horizont der Vergöttlichung des Menschen. Christi Anweisung in Gen.1:28, dass die Menschen sich vermehren und die Erde füllen sollen, bleibt auch heute in Kraft, - ungeachtet aller ökologischen Katastrophenmeldungen. Nach Paulus werden Frauen durch ihre Kinder gerettet (1. Tim. 2:15). Damit liegt auch nach christlichem Verständnis die Sicherung nachwachsender Generationen bei den Frauen, - eine Forderung, die zumindest in entwickelten Ländern auch politisch willkommen ist. Allerdings schränkt Paulus ein: um ihre Mütter zu retten, müssen diese Kinder in Glauben, Liebe und Heiligkeit mit Nüchternheit ausharren. Hierzu bedarf es einer Familie, die sich, ganz im Sinne des Sozialen Grundkonzepts, als Kirche im Kleinen versteht (vgl. Joh. Chrysostomos, 20. Predigt über den Epheserbrief). Als Keimzelle ist sie für die Kirche selbst unverzichtbar. Um aber eine Familie so in die Kirche zu integrieren, muss zumindest ein Familienmitglied für das seelisch und geistlich nötige Umfeld sorgen. Man kann mit Kindern nicht beten, wenn man nicht auch mit ihnen lebt, ihre Freuden und Kümmernisse teilt. Traditioneller weise war dieses Umfeld die Aufgabe der Hausfrau und Mutter. Wer daran heute erinnert, stellt sich nicht nur außerhalb der staatlich gewünschten Integration der Frauen in den Wirtschaftskreislauf. Er macht sich auch zum schwer verdaulichen ‚Großvater‘. Aber wenn wir die geistige Orientierung zurückgewinnen wollen, die Patriarch Kyrill immer wieder einfordert, und die wir brauchen, um unsere Kinder zur Kirche zu führen, müssen wir untersuchen, was dieses traditionelle Familienmodell in unseren modernen Gesellschaften in Ost und West zerstört hat. 

In Deutschland geht es uns gut. Auch hier gibt es wirtschaftliche Zwänge. Aber sie reichen nicht hin, um den Geburtenrückgang zu erklären. Sicherlich sinkt mit steigendem Wohlstand die Bereitschaft, auf das ‚angenehme Leben‘ zu verzichten. Aber eine im letzten Jahr vorgenommenen Umfrage unter deutschen Frauen weist noch in eine andere Richtung. Als Grund ihrer Kinderlosigkeit nannte die überwältigende Mehrzahl den fehlenden Partner. Das Problem war nicht das Fehlen von „Lebenspartnern" oder „Lebensabschnittpartnern". Es fehlen Männer, die bereit sind, Verantwortung für eine Familie zu übernehmen.  

Unsere Männer definieren sich nicht mehr über ihre Vater-Rolle. Diese Rolle ist durch das moderne Verständnis der Beziehungen zwischen den Geschlechtern insgesamt in den Hintergrund des öffentlichen Bewußtseins getreten. Besonders die Idee väterlicher Autorität in der Familie gilt als überholt. 

Diese Veränderung hat viele Gründe, die wir hier nicht erörtern können. Empfängnisverhütung, eine neue Sexualmoral, ein an das Ziel individueller Selbstverwirklichung angepasstes Scheidungsrecht, - das alles ist wichtig. Im Zentrum steht jedoch das Herzstück internationaler Menschenrechtspolitik: das Engagement für die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau. Es begann mit dem Wahlrecht, dem Recht auf Scheidung, auf gleichen Verdienst für gleiche Arbeit, auf gleiche berufliche Chancen, - es führte zum auch international immer weiträumiger durchgesetzten Verbot sexueller Diskriminierung. Was zunächst nur den Bereich des Politischen und des Rechts berührte, wurde auch kulturell zur zwingenden „Selbstverständlichkeit". Diese allgemein bejahte Geltung beruht auf der Tatsache, dass sich das Prinzip der umfassenden Gleichberechtigung als ein moralisches, und damit, wie suggeriert wird, allgemein verpflichtendes Prinzip darstellt. Es beruht auf der Anerkennung einer rein säkularen Menschenwürde. Diese Anerkennung umfasst insbesondere das Recht auf individuelle Selbstverwirklichung. Ehe und Familie, oder überhaupt jede Bindung, werden damit in das Belieben des Einzelnen gestellt. Dabei betrifft dieses Belieben nicht nur die Entscheidung für eine Bindung. Auch die Dauer jeder Bindung ist zur Sache momentaner Befindlichkeiten geworden. Die säkulare Anerkennung der Menschenwürde, indem sie den Wechsel und Wandel der Lebensorientierung zur Norm einer hochgehaltenen Authentizität erhebt, prägt somit den umfassend ‚liberalen‘ Charakter moderner Gesellschaften.  

Das zugrundegelegte Menschenbild setzt beim Einzelnen an: er gilt als zur autonomen Selbst-Schöpfung berufen und befähigt. Kindliche Phasen der Hilfsbedürftigkeit kommen dabei nur im Blick auf eine Erziehung zu derart geforderter und bejahter Autonomie zur Sprache; altersbedingte Phasen der Hilfsbedürftigkeit bleiben unberücksichtigt. Beide Formen der Hilfsbedürftigkeit werden (zumindest tendenziell) der Fürsorge im staatlichen Solidarsystem anvertraut. In dem Maße, wie der Staat Funktionen übernimmt, die traditionell von der Familie wahrgenommen wurden, steht einer auch kulturell gelebten Gleichberechtigung der Ehepartner nichts mehr im Wege: die Ehe wird (wenn überhaupt noch geschlossen) zum Lebens-Abschnitts-Modell. Es ist diese kulturelle Umsetzung eines für den säkularen (und ent-traditionalisierten) Staat konstitutiven rechtlichen Prinzips (der Gleichberechtigung der Geschlechter), das zum traditionellen Ehe-Verständnis im christlichen Sinne quersteht. Diese dem säkularen Rechts-System gegenüber Distanzlose und unkritische Umsetzung ist, so scheint mir, wesentlich dafür verantwortlich, dass unsere Gesellschaften im Westen dem Verlust ihrer geistigen Orientierung nichts entgegenzusetzen haben. 

Zwei Worte der Abgrenzung vorab.

Zum einen: Die rechtliche Gleichstellung der Frau ist ein wesentliches Element der Moderne. Dahinter können entwickelte Gesellschaften nicht zurück. Diese Gleichstellung mag überdies willkommen und sogar unverzichtbar sein für all jene traditionalen Kulturen und Religionen dieser gefallenen Welt, denen die geistigen Ressourcen fehlen, um mit einer kulturell gelebten Un-Gleichberechtigung der Frau in humaner Weise umzugehen. Traditionale Kulturen beruhen zumeist auf der Macht von Männern. Ob diese ihre Macht in barmherziger Weise ausüben, bleibt ihrem Belieben, den Umständen, ihrer Erziehung, und bei alledem der im Herzen gutwilliger Menschen wirkenden göttlichen Gnade überlassen. Ich maße mir über das Grauen oder die Geborgenheit, die Frauen in solchen Kulturen erleiden oder genießen, als Außenstehende kein Urteil an. Unter Christen hingegen ist die Gleichberechtigung der Frau zum Götzenbild geworden. Gewiß, unter Bedingungen eines (neuplatonisch-augustinisch) verzerrten und geschwächten Christentums konnte diese rechtliche Hilfskonstruktion in den westlichen Gesellschaften entwickelt und in dem Maße bejaht werden, in dem sich die Willkür männlicher Machtausübung anders nicht zügeln ließ. Die rechtliche Gleichberechtigung der Frau bedeutet also einen säkularen Notbehelf angesichts einer heute ent-christlichten Moderne. Zugleich aber hat dieser rechtliche Notbehelf eine tiefgreifende kulturelle Prägewirkung entfaltet: Sie zerstört jene traditionelle Familie, in der Frauen durch die Erziehung von Kindern zum Glauben Rettung finden könnten.  

Zum anderen: Die Zerstörung der traditionellen Familie hängt nicht nur am Hedonismus. Sie hängt auch an der Moralisierung bestimmter Formen des Christentums. Diese, insbesondere von der europäischen Aufklärung bejahte Reduzierung des Evangeliums auf Anweisungen zum moralischen Gutsein, hat die Ordnung des menschlichen Miteinander (und seiner Verantwortung für die Umwelt) von der menschlichen Bestimmung zur Heiligkeit abgetrennt; das Bewußtsein einer Durchdringung von christlicher theoria und praxis, und damit auch von Geistigem und Leiblichem im Leben jedes Christen, ging verloren. Marktwirtschaftlich gesehen ist der (wohl verstandene) Hedonismus eine Tugend; nach säkularem Moralverständnis ist er somit schwer zu kritisieren. Auch läßt sich der (nicht-wohl-verstandene) Hedonismus durch seine Verurteilung schwerlich aus der Welt schaffen. Er nimmt ja immer Deckung unter angeblichen und vermeinten ‚Bedürfnissen‘ und unter vorgeblichen und irrigen Wertvorstellungen. In einer säkularen Welt definieren sich Frauen durch Bedürfnisse und Werte, die nichts mehr mit jener Leiblichkeit zu tun haben, die durch die Gottesgebärerin in geheiligter Weise vorgelebt wurde. Frauen verstehen sich hier rein moralisch als Person in einem (von der Philosophie Immanuel Kants hergeleiteten, und um das Desiderat sexueller Selbstbestimmung erweiterten) Sinne. In ihrem Rollenverständnis haben sie sich den Männern angeglichen. So binden sie ihr ethisches Selbstbewußtsein und ihre Menschenwürde an das, was sie in Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Kultur, oder selbst als Kassiererin im Supermarkt oder Sekretärin leisten: sie machen ihren Eigenwert von der Anerkennung durch Bezahlung abhängig. Diese irreführende Ideologie leitet mithin sogar den ethischen Idealismus der Frauen irre. Diese selbe Ideologie macht die rechtliche Gleichstellung der Frauen zur Grundlage ihres kulturellen Selbst-Verständnisses. Nur eine Besinnung auf die patristische Lehre über das Verhältnis der Geschlechter kann hier ein Umdenken ermöglichen. 

Damit komme ich zum Thema meiner Überlegungen. 

Der Schöpfungsbericht geht von einer geschlechtlich differenzierten Menschlichkeit aus: „als Mann und Frau schuf er sie" (Gen. 1:27). Dabei wurde die Frau als Helferin (Gen. 2:18), und darum, wie der Heilige Paulus sich ausdrückt, um des Mannes willen (1.Cor.11:9), geschaffen. Mit Christi Inkarnation ist die im Fluch erfolgte Unterwerfung Evas unter die bedingungslose Herrschaft des Mannes (Gen.3:16) aufgehoben (Math.19:4-6). Paulus bekräftigt die Gleichheit der Frau als Gefährtin in der Errettung (1.Cor.11:11-12, Gal.3:28). Diese eschatologische Gleichheit erlaubt es jedoch nicht, schon in der noch gefallenen, der Errettung erst zu-strebenden, Welt auf eine auch soziale (und somit zugleich rechtlich durchzusetzende) Gleichberechtigung zu schließen. Zumindest halten Paulus und auch Petrus an der Autorität des Mannes in der Familie fest (1.Cor.11:3, Eph.5:22,33, 1.Petr.3:1,6). Dieses Festhalten wird von den meisten Christen der westlichen Glaubensgemeinschaften als zeitbedingtes Vorurteil disqualifiziert.  

In liberalen Kulturen gelten Gleichheit und symmetrische Anerkennung auf Gegenseitigkeit als Grundlagen aller Moral. Der Weg der Vergöttlichung hingegen beruht auf der Anerkennung einer tiefgreifenden Ungleichheit zwischen Geschöpf und Schöpfer. Adam wurde nach dem Bilde Gottes als Herrscher über die Schöpfung gesetzt. Aber er sollte diese Herrschaft zugleich im Gehorsam unter der Herrschaft Gottes ausüben (Johannes Chrysostomos, Predigten über Genesis 14.9-10, 30.15). Der Gehorsam ist die Form, in der sich seine Liebe zum Schöpfer beweist; im Gehorsam geht er auf das Angebot der vergöttlichenden Liebe des Schöpfers ein. Nach dem Fall des Menschen offenbarte sich das Wort Gottes in Seiner Menschwerdung zugleich als „Sohn" Gottes. Dadurch sollte der Mensch, über seine geschöpfliche Zuordnung auf den Schöpfer hinaus, in die brüderliche Gemeinschaft der Söhne Gottes geführt werden. Dennoch lebte auch Jesus in Seiner Eigenschaft als Mensch diese Sohnschaft wiederum als ‚Liebe durch Gehorsam‘ vor. Dieser vorgelebte Gehorsam richtet sich nicht nur auf Gott als Vater. Jesus sagte „ich bin nicht gekommen, um mich bedienen zu lassen, sondern um zu dienen" (Mt.25:28). Darum findet sich jede Nachfolge Christi, und damit jede Gottesliebe, an den Dienst am Nächsten, die Nächstenliebe gebunden, und damit wiederum an den Gehorsam auch gegenüber den Mitmenschen. 

Dabei bleibt dieser Heilsweg der Unterordnung, des Gehorsams, des Dienens, für Männer und Frauen verschieden. Von Anfang sollte Adams Herrschaft über die Schöpfung die Herrschaft Gottes abbilden. Diese offenbart sich als fürsorgende, in Liebe nachgehende und zuvorkommende Väterlichkeit, - man denke nur daran, wie fürsorglich Gott sofort nach der Vertreibung der Menschen aus dem Paradies sich ihrer erbarmt: Er umhüllt sie mit schützenden Fellkleidern (Gen.3:21). Oder wie Gott seine verlorenen Menschenkinder ins Paradies zurückholte, indem Er selbst zum Menschen wurde und um des Menschen willen litt. Damit ist auch die männliche Schöpfungs-Herrschaft auf eine Väterlichkeit verpflichtet, die sich an den göttlichen Tugenden der Sanftmut und Demut (Mt.11:29) orientiert. 

Von Anfang an teilte Eva nicht nur Adams Herrschaft (Gen.1:26-7). Sie selbst gehörte zu jener paradiesischen Welt, über die Adam herrschte. Obwohl er sie als „Fleisch von seinem Fleisch" erkannte, blieb Adam doch als Namen-Geber ihr vorgesetzt (Gen.2:23). Ihre Mitherrschaft über die Schöpfung sollte Eva also als Mithilfe bei der männlichen Wahrnehmung einer Herrschaftsaufgabe gestalten, die sich zugleich auf sie selbst erstreckt. Anders ausgedrückt, auch zur Wahrnehmung seiner Herrschaftsverantwortung auch über die Frau bedarf der Mann der Hilfe der Frau. Dieses in der Schöpfungsordnung vorgegebene Verhältnis ist auch für heutige Familien normativ. Wenn Männer verlernen, die mit ihrer Herrschaftsverantwortung verbundenen Pflichten wahrzunehmen, sind Frauen gefordert. In der Welt sollen Mann und Frau ihre Christusnachfolge der Gottesliebe im Gehorsam nicht unabhängig voneinander gestalten, sondern gemeinsam. Auch geistig oder praktisch überlegene Frauen brauchen dazu jene Tugend des sich-Zurücknehmens, an der es Eva hatte fehlen lassen, als sie eigenmächtig mit einem in Gestalt eines Adam unterstellten Wesens (als Schlange) auftretenden Partner in Unterhaltung trat, und so über beide das Verderben brachte.  

Von Anfang an sind Menschen beiderlei Geschlechts zur Bildhaftigkeit Gottes ermächtigt. Ihre Chance der Vergöttlichung liegt darin, dass sie ungeachtet dieser Ermächtigung der Versuchung zur Eigenmächtigkeit widerstehen. Es ist diese zentrale Versuchung, gegen die der Gehorsam schützt. Dies geschieht wiederum bei Mann und Frau verschieden. Der Mann muss seine Versuchung zur Eigenmächtigkeit gegenüber Gott beherrschen, und dies im Hinblick auf seine Herrschaft über andere; die Frau muss ihre Versuchung zur Eigenmächtigkeit gegenüber Gott beherrschen, und dies im Blick auf die von Ihm eingerichtete Herrschaft des Mannes. Bereits im Paradies hätte jeder Protest Evas angesichts der Ungleichheit der Struktur dieses Gehorsams ihr freies „ja" zur vergöttlichenden Gnade, und damit ihre eigene Chance zur Vergöttlichung, zerstört. Umso mehr gilt dies nach dem Sündenfall, da der Gehorsam zugleich eine göttliche Therapie gegen die zur Gewohnheit gewordene egoistische Eigenmächtigkeit darstellt. Zudem wurde durch Christi Erlösungstat jene Ungleichheit wiederum neu überformt: Gemäß dem Verhältnis zwischen Christus und Seiner Kirche soll die Frau den Mann ebenso als ihr „Haupt" anerkennen, wie dieser für sie sein Leben hingeben soll.  

Nur auf dieser geistlichen Grundlage kann Familie zur Kirche im Kleinen werden: Auch Väter sind schließlich (gefallene) Menschen. Sollen sie die ihnen dennoch zukommende Autorität ausüben, bedürfen sie der Mithilfe der Mütter. Nur Mütter können die Kinder lehren, im „irdischen Gefäß" (2.Cor.4:7) die göttliche Ermächtigung anzuerkennen. Damit Kinder an ihrer Liebe zum fehlbaren menschlichen Vater in die Liebe zum unfehlbaren himmlischen Vater hineinwachsen können, muss die Mutter vorleben, wie die Autorität eines gefallenen Menschen doch zugleich als von Gott gewollt anerkannt werden kann. Umgekehrt können Väter aufgrund dieses ihnen vorab gewährten Anerkanntseins lernen, die Hingabe ihres Lebens - d.h. ihrer Tüchtigkeit, Opferbereitschaft, Disziplin - als Ausdruck der ihnen auferlegten Liebe wahrzunehmen. Ist dieser Rahmen eines gegenseitig auf Gott zu geordneten Gehorsams gesichert, können Frauen hoffen, die von ihnen geborenen Kinder so in den Glauben einzuführen, dass diese ihnen selbst zur Rettung werden. 

Ein solches Verständnis gewährt auch dann verlässliche Orientierung, wenn Menschen mit belastenden, die sozialen Rollen verkehrenden Lebensumständen zurechtkommen müssen. Einige Beispiele: Viele arbeitslose Familienväter hängen mit den Kindern vom Verdienst ihrer erfolgreicheren Frau ab. Aber es macht einen Unterschied, ob die Frau ihre Berufstätigkeit als eigene Selbstverwirklichung oder gar Triumph ihrer Überlegenheit empfindet, oder als ihre Weise, in dieser besonderen Notsituation dem Mann in seiner Verantwortung zur Seite zu stehen und seine Würde als Vorsteher der häuslichen Gebete zu wahren. Ebenso macht es einen Unterschied, ob Mütter ihren Söhnen die Fähigkeit zum verantwortlichen Selbstopfer, und ihren Töchtern die Fähigkeit zum hilfreichen Dienen vermitteln, oder ob Mütter in mißverstandener Diensteifrigkeit ihre Fürsorge als mütterliche Eigen-Macht entfalten. Wenn Mütter durch ihre Kinder gerettet werden, dann geschieht dies, indem sie diese zum Widerstand gegen jede Eigenmächtigkeit bei der Wahrnehmung ihrer von Gott gesetzten Aufgabe befähigen.  

Eine geistige Orientierung, wie Patriarch Kyrill sie zur Lösung des demographischen Problems verlangte, ist nicht schon dadurch gewonnen, dass man den Kinderlosen mangelnde Opferbereitschaft vorwirft. Darüber hinaus bedarf es einer Kritik an jeder ideologisch verzerrten Opferbereitschaft. Es sind ja häufig auch fehlgeleitete moralische Werte, die Frauen im Namen einer vermeintlich hochstehenden säkularen Menschenwürde vom göttlichen Weg ihrer Heiligung ablenken. Es bedarf also wesentlich einer Besinnung auf die Orientierung des christlichen Glaubens an der Väterlichkeit der Liebe Gottes. Es bedarf einer Besinnung auf die väterliche Autorität als das geistliche Zentrum der Familie.

Quelle: Портал Богослов.Ru

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Krankheit und Religion: Über die geistlichen Risiken einer therapeutischen Ent-Sündigung des Christentums

12. August 2009
Delkeskamp-Hayes, Cornelia

Das therapeutische und heilende Potential des Glaubens wird von vielen Ärzten und Psychologen anerkannt und genutzt. Doch wird bei einer solchen Nutzung tatsächlich die Religion mit ihrem tiefen Heilsverständnis vermittelt? Der Artikel zeigt, wie das Christentum bei einer „therapeutischen“ Nutzung entfremdet wird und seine wichtigsten Elemente wie die Sünde und das sakramentale Geschehen als ein Hindernis zur psychischen Gesundheit verworfen werden.

Dieser Aufsatz wurde mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers übernommen aus:

Der Schmale Pfad Bd. 25, September 2008, 77-93. (www.orthlit.de

I   Einleitung: Das post-moderne westliche[1a] Christentum und seine Glaubenskrise

Eine Kultur, der das Verständnis für Sünde fehlt, hat ihren Platz im Universum verloren. Der wichtigste Ausdruck für „Sünde" im griechischen Original des Neuen Testaments, hamartia, bezeichnet ein Verfehlen des Ziels, eine Fehl-Orientierung. Wer nicht weiß, in welcher Richtung und auf welche Weise er sich Gott als der Quelle und dem Ziel aller menschlichen Bestrebungen nähern soll, geht auch alle anderen Lebensziele falsch an. Sein Bemühen, durch medizinische oder sonstige Therapien „Gutes" zu tun, schlägt fehl, weil er sich auf die rein irdischen Bedürftnisse und Wünsche seiner Patienten beschränkt. Eine Medizin, die von der Bestimmung des Menschen zur ewigen Seligkeit absieht, kann von der Gesellschaft befürwortete Dienstleistungen wie Abtreibung und (freiwillige) Euthanasie auf Dauer nicht einsehbar verweigern. Aber auch unabhängig von solchen dramatischen Fehlentwicklungen wirkt die Einengung des Blicks auf rein irdisches Heilen irreführend. Gerade in der Begegnung mit Krankheit und Tod stellen viele Leidende und ihre Nächsten Fragen wie „Warum läßt ein gütiger Gott das zu?" oder „Warum muß das ausgerechnet mir zustoßen?". Jede Antwort, die nicht auf die letzte Bedeutung des menschlichen Lebens, also auf Gott verweist, bleibt unvollständig. Sie verstellt zudem den Leidenden eine entscheidende Chance.

Christen wissen, was weltlichen Therapeuten verschlossen bleibt: daß die Verwundbarkeit des Menschen für Krankheit, Leid und Tod letztlich aus Adams Sünde herrührt. Sie wissen aber auch, daß solche Lebenskrisen für Betroffene ein Angebot zur Umkehr aus ihrer Verhaftetheit an weltliche Belange darstellen kann. Das Leid kann den Menschen an seine göttliche Bestimmung erinnern und an seine eigenen Versäumnisse auf diesem Weg. Christen wissen, daß jedes Leiden, wenn es im Bewußtsein dieser Versäumnisse in den Horizont persönlich verantworteter Sünde gestellt wird, als Buße angenommen werden kann, und daß es dadurch mit Hilfe der göttlichen Gnade Heilkraft für die verwundete Seele entfaltet. Sie wissen: Auch dann, wenn sich das körperliche oder psychische Leiden durch eine solche Reue für einige Zeit verschlimmert, fließt am Ende für die Ewigkeit daraus Gewinn (cf. Delkeskamp-Hayes 2006, S. 219 ff).

Über Sünde kann man in der Öffentlichkeit heute gar nicht mehr reden.[1] Für den medizinischen Bereich bot eine im Jahre 2006 veranstaltete Tagung der Evangelischen Akademie Tutzing ein erhellendes Beispiel. Hier wurde zum Thema „Krankheit und Religion" die Verdrängung des Begriffs der Sünde vorexerziert. Es zeigte sich, wie selbst Christen, denen die „spirituelle Dimension" der Krankenpflege und der Therapie am Herzen liegt, den Gedanken an Sünde, Reue und ewiges Heil durch die Beschränkung auf therapeutische Erfolge ersetzen.[2] Hinter dieser Verdrängung steht ein größerer Wandel in der Kultur insbesondere Europas, der zu einer entschieden nach-christlichen Weltanschauung geführt hat. Hierbei werden christliche Institutionen (sofern sie sich nicht dem weltlichen Zeitgeist anpassen) an den Rand gedrängt, wird christliche Theologie in weltlichem Sinne umgedeutet, werden christliche Grundsätze und Werte aus der Öffentlichkeit entfernt. Wir sind auf dem Wege zu einer „Religion ohne Theisten oder Atheisten", wie Santiago Zabala von der Päpstlichen Lateran-Universität Rom triumphierend feststellt (Zabala, 2005, S. 1, Übersetzung Hayes). „Religion" erscheint hier nicht mehr als eine Weise, in der der Mensch in Beziehung zum transzendenten Ursprung aller Wirklichkeit und Wahrheit tritt.[3] Sie ist zum kulturellen Rahmen für die (rein innerweltlich verstandene) Selbstverwirklichung und Entwicklung einer je persönlichen Vorstellung vom Sinn des Lebens geworden. Der jenseitige Gott dient höchstens als symbolischer Bezugspunkt.

Mit dieser Abwendung von der Möglichkeit eines menschlichen Zugangs zur Wahrheit Gottes erweist sich sogar das einstmals revolutionäre („moderne") Anliegen der Aufklärung als überholt: Damals ging es noch darum, an der Religion nur die Morallehre gelten zu lassen. Was darüber hinausging sollte entweder überhaupt verschwinden, oder als Privatsache in gesellschaftliche Nischen abgedrängt werden.[4] Heute hat die (post-moderne) Gesellschaft „das Religiöse" in ihre eigene Weltlichkeit integriert: Wie Hegel dies schon vor-dachte, ist „Religion" zu einer Kulturerscheinung geworden.[5] Ihre „Wahrheit" liegt nun in der Rolle, die sie für anderweitig begründete, gesellschaftlich anerkannte Ziele weiterhin spielen mag. So wird, um auf den medizinischen Bereich zurückzukommen, angesichts allgemeiner Unzufriedenheit mit rein wissenschaftlich-technologisch ausgerichteten Behandlungsweisen, neuerdings wieder nach dem therapeutischen Potential der Religion gefragt.[6] Allerdings muß die Hebung dieses Potentials auf das begrenzt werden, was therapeutisch akzeptabel erscheint. Insbesondere gilt es, den Begriff der „Sünde" aus den eingesetzten christlichen Erzählungen und Bildern herauszuhalten. Dieser Begriff enthält nämlich erstens die Anerkennung eines Anspruchs, der im Namen eines für den Menschen transzendenten Gottes, und darum mit absoluter Gültigkeit, an die menschliche Lebensführung gestellt wird. Er verletzt mit diesem Wahrheitsanspruch das säkulare Dogma der „Gleich-Gültigkeit" aller Religionen, von der die weltlich gesinnte Mehrheit sich den „Frieden auf Erden" verspricht. Zweitens kann der Gedanke an eigene Sünden und die dadurch geweckte Reue bei Patienten (und Angehörigen) Unruhe hervorrufen, die den sowieso schon „stress"-reichen Klinikalltag zusätzlich belasten würde. Drittens kann solche Reue bei den von Krankheit und Leid Betroffenen auch das Klinikpersonal an der fortgesetzten Verdrängung der Sorge um das eigene Seelenheil hindern. All dies gilt es in einer entschlossen innerweltlichen, auf Effizienz und Effektivität bedachten Kultur zu vermeiden.

 

II   Sünde als krankmachende Vorstellung

Die große Mehrzahl derer, die sich heute noch im Westen als „Christen" bezeichnen, scheuen den Gedanken an Sünde.  Das liegt ganz entscheidend an der Verzerrung, die das traditionelle Verständnis des Sündenfalls durch die theologischen Schriften des seligen Augustin von Hippo (354-430) erfahren hat. Seine Annahme einer „Erbsünde" prägte die römisch katholische wie die protestantische Theologie. Diese Annahme läuft aber dem gewöhnlichen Verständnis von persönlicher Verantwortung so zuwider, hat eine so einseitige Wahrnehmung der gefallenen Natur des Menschen hervorgebracht und das westliche Christentum so tiefgreifend unter einen Schuldkomplex gestellt, daß die Kritik Nietzsches und Freuds für Menschen von heute geradezu zwingend erscheinen muß. Die christliche Tradition[7] hat demgegenüber immer daran festgehalten, daß durch Adams Sünde die menschliche Natur lediglich beschädigt wurde: sie wurde verwundbar durch Sterblichkeit, die Mühsal des täglichen Überlebenskampfes und ihre Anfälligkeit für Krankheiten. In der Tat stellt die dadurch bedingte Belastung, Verunsicherung und Existenzangst auch eine tiefgreifende Versuchung zur Sünde dar. Dennoch bleibt jeder Mensch für das Ausmaß persönlich verantwortlich, in dem er solchen Versuchungen nachgibt.

Wo immer die christliche Tradition angemessen gepflegt wurde, hat die Sünde ihren richtigen und heilsamen Sinn bewahrt. Anders als die Betonung der „Schuld", die am „Blick zurück" verhaftet bleibt und die Versäumnisse und Übertretungen der Vergangenheit wie eine Last auf die Seele legt, öffnet der Übergang zur Reue, zur Umkehr, und zur Buße den Blick nach vorne, hin zur erhofften Vergebung. Für eine ausschließlich weltliche Kosten-Nutzen-Rechnung andererseits zählen selbst die Trauer und der Verlust an Selbstsicherheit, die mit jeder Reue unvermeidlich einhergehen, als Schaden, der durch keinen geistlichen Gewinn ausgeglichen (geschweige denn übertroffen) werden kann. Hat man erst einmal das Dasein Gottes und Seine barmherzige Antwort auf die menschliche Umkehr ausgeblendet, muß darum alles Reden von Sünde als belastend, und somit potentiell krankmachend erscheinen.

Die heute gängige Kritik an der pathogenen Bedeutung von „Sünde" geht weit über den medizinischen Bereich hinaus. Ein weiteres Motiv liegt in der Verbindung von Sünde und Gehorsam.[8] Wer von Sünde spricht, bejaht die Notwendigkeit von Gehorsam in einer Weise, die quer zum liberalen Erbe der Aufklärung in unseren modernen Gesellschaften steht. Bereits die französische Revolution richtete sich mit ihrer Proklamation menschlicher Autonomie ausdrücklich gegen das Prinzip des Gehorsams. Dabei ging es nicht nur um die weltliche Feudal-Herrschaft, sondern gerade auch um  Kirche und ihre Verkündigung göttlicher Gebote.[9] Traditions-treue Christen wissen, daß menschliches Gedeihen, in seiner Abhängigkeit von wahrer Moral, wahrem Recht und wahrer Tugend, nur dort entstehen, wo Menschen sich in rechtgläubiger Weise der erleuchtenden Gnade Gottes öffnen.[10] Orthodoxe Christen wissen, daß der allem Geschaffenen gegenüber transzendente Gott Seinen menschlichen Geschöpfen von Anfang an, insbesondere aber durch die Fleischwerdung Christi, Wege geoffenbart hat, auf denen sie die im Paradies verspielte Integrität ihrer göttlichen Bestimmung zurückgewinnen können. Sie wissen, daß jener Verlust  durch Ungehorsam geschah, und nur auf dem Weg erneuten Gehorsams wieder gutgemacht werden kann. Sie erkennen, daß Gehorsam und Hingabe an Gott den Menschen von den Verletzungen und Fehlorientierungen befreit, die die Sünde in seiner Seele hervorruft.

Im Gegensatz dazu verlegen weltlich Gesinnte das Heil des Menschen in seine Chancen zur erfolgreichen Selbstverwirklichung. Krankheit, Leiden und das Erschrecken vor der Endlichkeit des Menschen gelten ihnen lediglich als unwillkommene Zwischenfälle. Schon der bloße Gedanke an einen in selbst-loser Hingabe an Gott geübten Gehorsam erscheint ihnen darum als Anzeichen psychischer Unreife oder illegitimer Indoktrinierung, mithin als pathologisch.

 

III   Therapie gegen die Sünde: Die Säkularisierung des westlichen Christentums

In modernen Gesellschaften gilt das Christentum, soweit dieses im Gedächtnis der Menschen, in ihren Wertungen und Tabus weiterhin fortlebt, häufig als bloßes Hindernis bei der authentischen Selbstverwirklichung. Die traditionelle Forderung, ein Christ müsse bestimmte dogmatische Grundsätze und moralische Normen als allgemein verpflichtend ansehen, wird so zur unangemessenen Einschränkung einer „gesunden" geistigen und emotionalen Entfaltung. Für moderne Menschen zeigt sich in dieser Forderung lediglich mangelnder Respekt vor der individuellen Kreativität und Spontaneität, auf die jeder Mensch ein Recht haben soll. Ebenso wie die Politik nicht das Recht hat, bestimmte Moralvorstellungen in der Gesellschaft durchzusetzen (wobei allerdings dieselbe Politik das öffentliche Rauchen verbieten und in Schulen Aufklärung über „sicheren Sex" als moralisch geboten durchsetzen soll), sollen auch Kirchen das Recht nicht haben, ihre Lehren als allgemein verbindliche Wahrheit zu verkündigen. Wo Familien oder soziale Gruppen ihre geistliche Erziehungsverantwortung wahrnehmen, gilt das als „religiöser Druck", der die Kinder in ihrer Entwicklung behindert (wobei allerdings familiärer und sozialer Druck im Hinblick auf Karriere-fördernde Schulleistungen und die Überwindung von geschlechtlichen Rollenbildern als befreiend angesehen wird). Gegenüber der „entfremdenden" und „psychisch verkümmernden" Wirkung religiöser Beeinflussung wird als Therapie die totale Abstinenz von jeder Art in „Kirche" verfasster Religion empfohlen.[12] Alles Reden von Sünde gilt als Versuch, Menschen durch Auferlegung von Schuldgefühlen „kleinzumachen" (wobei allerdings die Kritiker selbst ganzen Glaubensgemeinschaften kollektive Schuld zuschieben, so etwa an der Diskriminierung von Frauen durch ihren Ausschluss vom Priesteramt). Ein Selbstverständnis als Sünder, so wird allgemein angenommen, macht Menschen unfähig, sich von Gott und den Mitmenschen  geliebt zu fühlen; es befördere den Selbsthass und behindere sein konstruktives Funktionieren in der Gesellschaft. Das christliche Verständnis meint es natürlich ganz anders. Hier sollen die Erinnerung an die Möglichkeit einer ewigen Verdammnis und die dadurch geweckte Furcht den durch seine Abwendung von Gott leichtsinnig und vergesslich gewordenen Menschen zur Besinnung, Umkehr und Besserung führen; sie sollen ihn anspornen, den Weg zur vergöttlichenden Einheit mit der Liebe Gottes erneut zu suchen. In der säkularisierten Welt kommt demgegenüber diese Furcht nur als Mittel sozialer Unterdrückung zur Sprache; die Gott-Vergessenheit ist in dieser Welt zur Norm geworden.

Weltlich gesinnte Ärzte und Pflegekräfte sehen zudem zwei weitere Gefahren für die therapeutische Zielsetzung. Zum einen wird befürchtet, dass die theologische Verknüpfung von Krankheit mit Sünde Pflegende dazu verführen könnte, in oberflächlicher Weise (wie jene Schriftgelehrten in Joh. 9:1 ff) von einer Erkrankung auf eine dahinter liegende eigene Schuld zu schließen. Tatsächlich könnte eine solche Fehl-Interpretation dazu führen, dass Patienten (in geradezu unchristlicher Weise, cf. Math. 7:1) beurteilt und somit „moralisch diskriminiert" werden. Gerade diejenigen, die vom Mitgefühl und der stärkenden Begleitung anderer abhängen, würden dadurch geschädigt. Zum anderen kann die Verknüpfung von Krankheit mit Sünde (insbesondere wenn diese in un-christlich urteilender Weise am Krankenbett zur Sprache käme) den Patienten entmutigen oder gar zur Verzweiflung führen. Seine Fähigkeit, aktiv die Therapie zu unterstützen, würde somit beeinträchtigt und die angestrebte Heilung behindert.[13]

Nun stehen allerdings auch Krankenhäuser, Pflegeheime und Hospize im Spannungsfeld einander widerstreitender kultureller Einflüsse:

1. Ungeachtet der Modernität entwickelter und säkularisierter Gesellschaften bleibt religiöses Gedankengut weiterhin lebendig.[14]

2. Dieses Beharrungsvermögen lässt sich zumindest teilweise auf menschliche Bedürfnisse zurückführen, die besonders in der Begegnung mit Leid, Krankheit und Tod zu Tage treten.

3. Andererseits bietet in der säkularisierten Gesellschaft von heute die Hoffnung auf eine (nicht mehr ins Diesseits hineinreichende, sondern nur noch ins ferne Nachleben gerückte) christliche Seligkeit vielen keinen Trost mehr.

4. Dennoch scheint „Spiritualität"[15] therapeutische Wirkung zu zeigen.

5. Zumindest in christlich geprägten Gesellschaften bleibt nun aber diese „Spiritualität" weiterhin verknüpft mit Religion, und Religion mit Sünde, - eine Gedankenverbindung, die sich gerade im Zusammenhang mit Leiden, Krankheit und Tod mit besonderer Unabweisbarkeit aufdrängt.

Aus alledem wird gefolgert, dass ein Christentum, dessen therapeutisch heilsames Potential man einsetzen möchte, von seinen therapeutisch schädlichen Elementen gereinigt werden muss. Ein im Umgang mit Patienten und ihren Angehörigen klinisch hilfreiches Christentum muss also allererst selbst „aus der Sünde errettet" werden. Hierzu gilt es, traditionelle Dogmen, Weltsichten, Erkenntnisformen und Werte gründlich zu überholen. Ein neues, nach-traditionelles Christentum soll somit die gewünschten Vorteile einer spirituellen Unterstützung medizinischer und pflegerischer Bemühungen sichern und die Risiken eines ernsthaften Glaubens und seiner (für weltlich Gesinnte) bedrohlichen Implikationen vermeiden.

Bei der Tutzinger Tagung, deren Anliegen sich im Sinne dieses Vorhabens verstehen lässt, wurden drei Ansätze zu einer solchen Sünde-befreiten Nutznießung spiritueller christlicher Ressourcen vorgetragen.[16] Der erste Ansatz (der in Abschnitt IV genauer dargestellt wird) interpretiert jede Religion als rein menschliches Konstrukt. Dem Patienten soll beigebracht werden, seine religiösen Vorstellungen so zurechtzubiegen, dass diese die medizinische Heilung unterstützen. Insbesondere der Gedanke an Sünde ist dabei als allzu belastend auszumerzen. Der zweite Ansatz (Abschnitt V) interpretiert die christliche Religion als praktizierte Liebe, wobei diese Liebe im Sinne rein weltlicher Fürsorge und Begleitung verstanden wird. Hier geht es darum, alles auszuschließen, was menschliche Solidarität beeinträchtigen könnte. Insbesondere der Gedanke an Sünde ist dabei als „diskriminierend" zu vermeiden. Der dritte Ansatz (Abschnitt VI) trennt die traditionellen christlichen (oder heidnischen) Rituale von ihren theologischen oder metaphysischen Grundlagen. Damit trennt er diese Rituale insbesondere auch von beunruhigenden Verknüpfungen mit Sünde. Im Mittelpunkt stehen Experimente mit der symbolischen und psychologischen Kraft körperlicher Berührungen, Erzählungen oder Bilder.

 

IV  Das konstruktivistische Verständnis von Religion: Wie man die religiöse Identität von Therapeuten und Patienten verändert.

Soziologisch gesehen bezieht der neue „Trend zur Religion" in den säkularisierten westlichen Gesellschaften viele „fremde" Elemente mit ein: fernöstliche, archaische, ethnische Traditionen, Weisheiten und Praktiken werden rezipiert.[17] Mit zunehmendem religiösen Individualismus und Pluralismus verliert das Christentum seine Rolle als für alle Menschen gültige frohe Botschaft. Alle Religionen erscheinen als durch zufällige gesellschaftliche und historische Faktoren mitbedingte Resultate menschlicher Erfindung. Diese Erfindungen dienen dem Zweck der „Bewältigung von Kontingenz":[18] Sie stellen einen Interpretationshorizont bereit, der in Krisen Trost verspricht. Betrachtet man diese subjektivistische und zugleich kulturalistische Umdeutung allerdings näher, so wird deutlich, dass sie einerseits zu Ungereimtheiten führt (1) und andererseits Christen unlösbare Konflikte auferlegt (2).

1) Wenn Religion ein kulturelles Konstrukt ist, wird ein Pluralismus der Religionen ebenso unvermeidlich wie der Pluralismus der Kulturen. Für Ärzte, Krankenpfleger, Sozialarbeiter, Psychologen und Krankenhausseelsorger stellt sich somit die Aufgabe, die religiösen Vorstellungen und Vorlieben jedes Patienten (und seiner Angehörigen) zu erkunden. Nur so können sich Therapeuten und Betreuer ja auf die je besonderen kulturellen, und dann noch einmal individuell abgewandelten geistlichen Bedürfnisse ihrer Klienten einstellen. Zu dieser Einstellung gehört zunächst einmal, dass sie sich aktiv um entsprechend qualifizierte religiöse Gesprächspartner für diese Klienten bemühen. Andererseits (und besonders, wenn diese Vermittlung nicht gelingt) müssen die Mitglieder des therapeutischen Teams auch selbst herauszufinden suchen und positiv verstärken, was sie bei solchen vorgegebenen religiösen Vorstellungen als „heilsam" ansehen. (Natürlich erschöpft sich dieses „Heilsame" dabei in dem, „was immer dem Leben des Patienten dienen mag" oder „einen wesentlichen Teil der authentischen Lebensform des Patienten"  darstellt, Gabriel 2006.)

All dies setzt voraus, dass die therapeutisch Mitwirkenden „ihre eigene religiöse Sensibilität öffnen müssen" (Gabriel, 2006), um auch ihnen persönlich fremde Glaubensinhalte in deren möglicherweise für den je besonderen Patienten „förderlichen" Bedeutung zu erfassen. Nur so können sie ja auch jenes persönliche Band des Mitgefühls zum Patienten knüpfen, das für eine erfolgreiche spirituelle Begleitung als unabdingbar gilt. Die Begleiter müssen also nicht nur erkennen, was ihre Klienten glauben und wichtig finden. Sie müssen, um diesen Klienten überdies in therapeutisch zweckmäßiger Weise „authentisch" als Person zu begegnen, sich diese Vorstellungen - zumindest während der therapeutischen Interaktion - selbst zu eigen machen.

Ihre eigene Professionalität verpflichtet die therapeutischen Mitarbeiter also nicht nur, jede Frage nach der Gültigkeit jener religiösen Vorstellungen in Interesse der erhofften heilenden Wirkung außer Acht zu lassen. Sie müssen nicht nur in ihrem Vorgehen gemäß der Theorie des Konstruktivismus verfahren. Um überhaupt das Unternehmen, ihre Patienten in deren Vorstellungen zu bestärken, als hilfreich bejahen zu können, müssen diese Mitarbeiter sich diese konstruktivistische Theorie überdies selbst zu eigen machen. Noch auch lässt sich dieses implizit verlangte konstruktivistische Glaubensbekenntnis auf die Stunden der Berufsausübung beschränken. Im Umgang mit Menschen in existentieller Not ist es therapeutisch unerlässlich, auch die eigene Person in die Begegnung mit einzubringen. Darum müssen, wo immer die Therapie in dieser Weise eine spirituelle Dimension einschließen soll, die Therapeuten persönlich den hierzu vorausgesetzten Konstruktivismus als allgemein gültige Wahrheit über das Wesen der Religion annehmen. Sie müssen hierzu, was immer sie ursprünglich an eigenen religiösen Überzeugungen in ihre Berufsausübung mitgebracht hatten, „ablegen", d.h. verraten.

Bei alledem müssen sie ihre Patienten auch noch betrügen. Denn um jene in den für sie als heilsam eingestuften Glaubensvorstellungen bestärken zu können, müssen die Therapeuten und Pflegenden vor diesen Patienten den eigenen konstruktivistischen Glauben (der alle religiösen Überzeugungen als Erfindung der Menschen relativiert) geheim halten. Sie müssen das bei der Bestärkung vorausgesetzte religiöse Einverständnis überzeugend vorspielen.

Gerade indem die „Authentizität der Person" sowohl im Hinblick auf die religiösen Bedürfnisse der Leidenden als auch im Hinblick auf die therapeutische Zuwendung ihrer Betreuer in diesem konstruktivistischen Therapieverständnis in den Mittelpunkt rückt, wird also zumindest bei den letzteren alle Rücksicht auf religiöse Eigenverantwortung und Integrität außer Kraft gesetzt.

2) Eine so verstandene „spirituelle" Therapie ist unvereinbar mit dem christlichen Verständnis von Wahrheit als in Christus selbst manifestiert (Joh. 14:6). Mitglieder des therapeutischen Teams werden ja überdies gezwungen, religiös nicht festgelegte Patienten in deren religiöser Gleichgültigkeit zu unterstützen. Die traditionelle Verpflichtung, zwischen den durch menschliche Schwäche und Leidenschaften verursachten Selbsttäuschungen und der Wahrheit Christi zu unterscheiden, ist ausgesetzt. Patienten, die sich in existentieller Not befinden, wird so die Möglichkeit genommen, sich auf die wahre Bedeutung ihres Leidens zu besinnen. Die Gelegenheit zu einer vielleicht noch rechtzeitigen Umkehr und zur Mitarbeit an der verwandelnden Gnade Gottes wird ihnen vorenthalten.

Natürlich haben hinreichend säkularisierte, post-traditionale „Christen" mit solchen Anforderungen keine Schwierigkeit. Sie haben den Gedanken an Wahrheit in der Religion und im Christentum bereits aufgegeben. Aber selbst solche Christen müssen im Rahmen eines konstruktivistischen Therapieangebots ihre Patienten noch einmal zusätzlich irreführen, und zwar ganz besonders jene, die ihren christlichen Glauben noch ernst nehmen. Anstatt nämlich ehrlich zuzugeben, dass sie selbst eine grundlegend neue (nämlich konstruktivistisch reduzierte) Form des Christentums vertreten, benützen solche Schein-Christen bei ihren therapeutischen Bemühungen weiterhin traditionelle Begriffe und Bilder, die sie aber ihres wirklichen Inhalts beraubt haben. Dies geschieht besonders dann, wenn sie die christlichen Überzeugungen eines Patienten als therapeutisch schädlich einschätzen. Hier kommt es für die Betreuenden darauf an, solche Überzeugungen zu de-konstruieren, also sie den Patienten gegenüber als ein bloß kulturelles oder persönliches und darum letztlich ungültiges Konstrukt seiner Erziehung oder seiner ungesunden Einstellung zu entlarven. Diese Dekonstruktion muss zudem in einer Weise vorgenommen werden, die im Patienten niemals den Verdacht weckt, er solle zum Verrat an seinem Glauben verleitet werden soll. Der Verrat am Patienten liegt hierbei nicht (wie oben) darin, dass jenem die konstruktivistischen Hintergedanken des Therapeuten vorenthalten werden. Er liegt darin, dass die wahre (d.h. unheilsame) Bedeutung der konstruktivistischen „Hilfe" vor ihm verborgen wird.

 

V   Die Reduktion des Christentums auf menschliche Solidarität: Wie man Gott durch die menschliche Gesellschaft ersetzt

Der zweite Ansatz zur therapeutischen Nutznießung einer Sünde-befreiten Christlichkeit ist besonders beliebt bei den großen evangelischen Glaubensgemeinschaften. Hier versteht man Christlichkeit vornehmlich als rein innerweltliche Mitmenschlichkeit, die überdies weitgehend durch gesellschaftliche Solidarität, d.h. Umverteilung von Einkommen, realisiert gesehen wird. Im traditionellen Christentum richtet sich die Nächstenliebe an einer in erster Hinsicht aufgegebenen Gottesliebe aus. Es ist diese „von ganzem Herzen, von ganzem Gemüte, von ganzer Seele und ganzem Gemüte und von allen deinen Kräften" (Mk. 12:30) auf Gott gerichtete Liebe (zu deren Wahrnehmung auch das liturgische und asketische Leben der Kirche gehört), die Zugang gewährt zu einer von Gott zurück-geschenkten, wahrhaft göttlichen Liebe, mit der dann in richtiger Weise das eigene Selbst so selbstlos geliebt werden kann, dass jeder „Nächste" dabei mit umfasst wird. Es sind mithin Gottes eigene verwandelnde Energien, die im traditionellen Christentum dem Leidenden auch unabhängig von allen Mitmenschen eine Quelle der Hoffnung darbieten, und die jede eventuell doch gewährte Hilfe von aller Beimischung gefallener Selbstliebe befreien und somit erst wahrhaft hilfreich gestalten kann. Dieses zutiefst mit den Geheimnissen (Mysterien) der Kirche verknüpfte Verständnis von Nächstenliebe oder Solidarität wird nunmehr, im Rahmen seiner im engen Sinne therapeutischen Reduzierung, von rein menschlichen, d.h. psychischen Ressourcen der Behandelnden und Pflegenden abhängig gemacht. So bleibt nur das rein säkular verankerte menschliche Miteinander.[19]

Nun wurde dieses Miteinander früher (im „christlichen Abendland") immerhin durch christliche Gemeinden und Familien geprägt. Unter den Bedingungen der heutigen Auflösung traditioneller und auch lokaler Strukturen (und besonders der auf verlässliche Dauer angelegten Großfamilien) ist die Mehrzahl der Patienten (oder auch der pflegebedürftigen Behinderten und Alten) auf professionelle Hilfe angewiesen. In Deutschland ist eine persönliche Betreuung  nur für die wenigen verfügbar, die sich das leisten können. Die übergroße Mehrheit besonders der Sterbenden und der Schmerzpatienten lebt in Institutionen. Ihr Wohlbefinden hängt von Pflegern ab, die unter den durch Ressourcenknappheit und Personalmangel bedingten Zwängen darum kämpfen müssen, wenigstens die unverzichtbaren körperlichen Dienste zu leisten. Die ständig steigenden Kosten der medizinischen und pflegerischen  Versorgung machen schon diese nur physische Versorgung der (besonders in Europa) dramatisch alternden Gesellschaft  immer schwieriger. An eine seelische oder gar geistliche Begleitung ist unter solchen Umständen gar nicht zu denken.

Aber auch für die wenigen, die immer noch Zugang zu persönlicher oder familiärer Pflege haben, ist eine bloß menschliche Begleitung oft nicht hinreichend. Wer schweres Leid zu tragen hat und dies bei vollem Bewusstsein aushalten muss, ist vielfach nicht zufrieden mit der Ersatz-Transzendenz menschlicher Fürsorge. Im Leiden wird der Sinn eines gelebten Lebens oft überschattet von der empfundenen Unerträglichkeit der Gegenwart. In dieser Notlage sehnen sich Patienten und Angehörige nach geistlicher Orientierung. Eben diese können familiäre (und dürfen professionelle) Betreuer aber immer weniger bieten. Bei der Tutzinger Tagung berichteten Krankenschwestern aus der Palliativmedizin von Fragen ihrer Patienten nach ihren eigenen Meinungen zu Leiden und Tod. Weil aber diese Betreuer selbst zu religiösen Einzelkämpfern geworden sind und weil die dazu erforderliche Hochleistungs-Kreativität in spirituellen Fragen (Gabriel 2006) jeden Menschen überfordert, teilen sie die Ratlosigkeit ihrer Patienten. Zugleich sinkt gerade aufgrund von religiöser Individualisierung und Diversifizierung  deren Bereitschaft, das Angebot pastoraler „Fachleute" wahrzunehmen. So beschränkt sich religiöse Begleitung auf gemeinsam ausgehaltene Ratlosigkeit.

Wo also angenommen wird, dass Gottes Menschwerdung in Jesus Christus darauf hinausläuft dass das „göttliche Prinzip" seine tröstliche Wirkung in mitmenschliche Fürsorge verlegt habe, bleibt von der erhofften „heilenden Wirkung der Religion" nicht viel übrig. Auch diese menschliche Fürsorge findet sich ja, wenn sie einmal die Verbindung zum persönlichen Gott abgebrochen hat, „verloren im Kosmos".[20]

 

VI   Religiöse Rituale ohne Transzendenz: wie man säkulare Zeremonien erfindet

Ein dritter Ansatz zur Einbeziehung der heilenden Kräfte des Religiösen unter Ausschluss des Gedankens an Sünde beruht auf dem rein therapeutisch ausgerichteten Gebrauch religiöser Rituale. Ihrem eigentlichen Wesen nach liegt die Bedeutung von Ritualen, oder Riten, in ihrem inneren Zusammenhang mit „richtigem Vorgehen" (cf. das Lateinische rite = rechtmäßig, richtig). Die dabei formelhaft durchgeführten körperlichen Handlungen verweisen auf zugrunde liegende Mythen oder Erzählungen. Sie bilden somit einen Brennpunkt für Assoziationen, Bilder, Gefühle, Werthaltungen, Selbstverständnisse, die allesamt als symbolisch Verdichtete den Teilnehmer oder Zuschauer in einem größeren Sinnzusammenhang verorten. [21] So sind sich orthodoxe Juden ebenso wie orthodoxe Christen bewusst, dass Menschen sich nicht nur durch Worte sondern auch durch Handlungen definieren, die ihre Bedeutung an Bewegungen und die dabei verwendeten Gegenstände festmachen. Traditions-treue Christen z.B. bekennen, dass alle Menschen sich dem Ritual der Taufe unterziehen sollten, um dadurch Zugang zum vergöttlichenden Ritual der heiligen Eucharistie zu erlangen.

Aufgrund ihrer suggestiven Macht können Rituale Menschen aber auch ganz neue Wahrnehmungen und Ziele vermitteln. Für unser Thema sind zwei einander widersprechende Verständnisse von Ritualen und Zeremonien wichtig. Das erste erkennt, dass einige Rituale in einer transzendenten Realität gründen, d.h. durch göttliche Einwirkung den Menschen offenbart und aufgegeben sind.[22] So wissen Christen, dass die Rituale der christlichen Mysterien die Wirklichkeit verwandeln. Die Taufe zum Beispiel stellt nicht nur die Aufnahme eines neuen Mitglieds in einen Club dar, sondern verändert die gefallene Natur des Getauften grundlegend. Das zweite Verständnis beschränkt alle Rituale auf die Endlichkeit. [23]  Gemäß der konstruktivistischen Interpretation von Religion (cf. Abschn.V) wird es dann möglich,[24] Krankenhausseelsorgern im Umgang mit Patienten ein umfassend ökumenisches Ritualisieren zu empfehlen. Solche unbekümmerten Ratschläge werden häufig mit psychosomatischen Theorien und esoterischen Annahmen verknüpft, besonders hinsichtlich der therapeutischen Wirkung von Berührungen, durch menschliche Nähe gestifteter Kraftfelder und weiterer Formen von Stress-Management. So verbindet sich die Binsenwahrheit, dass Menschen ihr Leid besser bewältigen, wenn sie dabei nicht alleingelassen werden, mit einer anti-kirchlichen Tendenz, sich außerchristlicher Rituale zu bedienen oder christliche Rituale außerhalb ihrer kirchlichen Ordnung einzusetzen.

Dies alles ist nicht so harmlos wie es aussieht. Abwandlungen in religiösen und anderen Ritualen setzen Veränderungen im Verständnis einer Religion oder sozialen Bindung voraus und bestärken ihrerseits diese Veränderungen. Es macht einen Unterschied für eine Gesellschaft, ob Männer Frauen in den Mantel helfen (dürfen) oder nicht. Es macht einen Unterschied für das christliche Leben, ob die Betonung bei Weihnachten und Ostern auf dicken Bartträgern mit Geschenke-Schlitten und Eier-malenden Hasen oder auf Christi Geburt und Auferstehung liegt. Solche rituellen Verschiebungen verwandeln christliche Feste in Verkaufsaktionen und Familienereignisse. Eine von ihren theologischen Wurzeln abgetrennte therapeutische Kreativität im Umgang mit Ritualen, die vormals im Zusammenhang mit einem reich gegliederten, tief in die Lebensführung eingreifenden religiösen Engagement ihren Ort hatten, bringt Traditions-treue Christen (ebenso wie orthodoxe Juden und konservative Mohammedaner) in geistliche Konflikte. Diese Konflikte betreffen einerseits die Bedeutung der Rituale, andererseits die Rolle derer, die sie anwenden, und drittens ihre Veränderlichkeit.

Zum ersten: Die Trennung traditioneller - z.B. christlicher - Rituale von ihrer Verankerung in Gottes Offenbarung entwertet die Rituale. Ihr ewiger, alle Menschen verbindender Sinn geht verloren. Zum zweiten: die religiöse Integrität dessen, der das Ritual durchführt, wird mißachtet. Krankenhausseelsorger sind nicht mehr erkennbar als nach kanonischem Recht geweihte oder beauftragte Diener eines ganz bestimmten Gottes. Sattdessen sollen sie ebenso wie andere Betreuer ganz unabhängig von ihren eigenen religiösen Bindungen oder Authorisierungen (und bei Seelsorgern unabhängig von ihrer angemessenen Ordinierung) „herum-ritualisieren". Zum dritten: der trans-personale, über-historische Charakter christlicher Rituale (ihre Begründung in der Kirche als ausgestattet mit der Kraft des Heiligen Geistes) gerät in Vergessenheit oder wird durch ihren unrichtigen Einsatz mißachtet.

Im heutigen Europa treffen solche metaphysisch unbekümmerten, ökumenisch selbstherrlichen, post-modern kreativen Ritual-Anbieter im Pflegebereich auf eine heterogene Patientenpopulation. Im großen Ganzen kann man deren Mitglieder in drei Gruppen unterteilen. Zunächst gibt es jene, die wissen, daß Gott und die Religion ernste Dinge sind, und daß eine klare Trennungslinie orthodoxe von heterodoxen Ritualen scheidet. Zu dieser Gruppe gehören eine schwindende Anzahl konservativer Protestanten und römischer Katholiken und eine steigende Anzahl von Orthodoxen Christen und Mohammedanern. Zweitens gibt es die Gruppe derer, die früher einmal von der Wichtigkeit Gottes und der Religion überzeugt waren, und die sich durch Krankheit, Leid oder das Nahen des Todes veranlaßt finden, in wie immer vager Weise die früher erlebte Sicherheit zurückzugewinnen. Zu dieser Gruppe gehört eine große Anzahl von römischen Katholiken und Protestanten, deren Verbindung zu ihren Kirchen sich mit den Jahren gelockert hat. Schließlich gibt es die Gruppe der Atheisten, Agnostiker, New Ager und anderer, die niemals ernstlich über Gott nachgedacht haben, die aber unter dem Einfluß ihrer Krankheit, ihres Leids oder nahenden Todes bereit sind, vielleicht zum ersten Mal sich mit dem Sinn ihres Lebens, und vielleicht sogar mit religiösen Fragen auseinanderzusetzen.

Die aufgrund eines konstruktivistischen Religions-Verständnisses zur freien Ritual-Praxis ermutigten Betreuer begegnen jeder dieser Gruppen verschieden. Sie müssen Mitglieder der ersten Gruppe als zutiefst irregeleitet ansehen. Darum werden sie versuchen, und diese Praxis ist heute zumindest in Amerika bereits verbreitet, sie durch tröstliche Gespräche von ihren therapeutisch als hinderlich eingestuften Glaubensüberzeugungen zu befreien. Besonders den ihrer Meinung nach überflüssigen „Reue-stress" suchen sie durch geeignete Beruhigungsrituale zu lindern. Es schert sie nicht, daß solche Patienten ihr Bemühen als blasphemisch ansehen müßten. Angesichts des geschwächten Zustands dieser Patienten, ihrer Angewiesenheit auf menschliche Nähe und des daraus resultierenden Machtgefälles haben solche wohlmeinenden Verführer leider allzu oft Erfolg. Sie merken nicht, daß sie das von ihnen sonst beschworene Freiheitsrecht gerade bei ihren Schutzbefohlenen mit Füßen treten. Was die zweite Gruppe angeht, so müssen jene Betreuer sie in Gefahr eines Rückfalls in „glücklich überwundene" und „potentiell therapeutisch schädliche" religiöse Vorurteile sehen und dieser Gefahr durch angemessene Gegenmaßnahmen zu begegnen suchen. Sie bieten solchen Patienten Rituale an, die jeden Gedanken an eine transzendente Begründung verscheuchen. So versorgt man römische Katholiken, die sich auf ihr nahes Ende vorbereiten möchten, mit vorab gewährter Krankensalbung samt Absolution, ohne sie rechtzeitig zum Nachdenken über ungebeichtete Sünden anzuregen, die sie bereuen und beichten sollten. Schließlich wird die dritte Gruppe mit Ritualen versehen, die auf irgendwelche Hinweise in den zuvor abgefragten eigenen Phantasien oder Erinnerungen der Patienten eingehen, die ermutigen und trösten, ohne irgendwie zu beunruhigen. Heilende Berührungen, die Anwendung duftender Öle oder meditative Musik mögen hierbei im Vordergrund stehen. In allen drei Fällen werden Patienten gehindert, die Wirklichkeit eines lebendigen Gottes in Rechnung zu stellen, der ihnen das persönliche Angebot der Vergebung und Liebe gemacht hat und auf ihre persönliche Antwort wartet.

 

VII   Schlußbetrachtung

Durch alle drei Ansätze einer vom Gedanken an Sünde gereinigten „spirituellen" Betreuung wollen Mitglieder therapeutischer Teams heute Probleme lösen, die früher (und in orthodoxen Gemeinden auch heute noch) allein und vornehmlich durch die Konfrontation mit der eigenen Sünde in den Blick kamen (und immer noch kommen). Diese neuen Tendenzen, so hat dieser Aufsatz zu zeigen versucht, werden nur verständlich, wenn man sie vor dem Hintergrund eines tiefgreifenderen kulturellen Wandels betrachtet: Das Verhältnis zwischen Mensch und Gott, und so auch die Religion, werden vor dem Hintergrund menschlicher Anliegen dargestellt, die sich erschöpfend im Bereich der menschlichen Immanenz und seiner endlichen Begrenztheit verfolgen lassen. Im Rahmen dieses Wandels finden sich theologische Erfahrungen in moralische Grundsätze und kulturelle Interpretationsmuster verkehrt. Religion erscheint als im Interesse menschlicher Bedürfnisse konstruiert, und somit zwar unvermeidlich, aber, wenn angemessen eingeschränkt, immerhin nützlich. So sollen auch die „spirituellen Ressourcen" der Religion für die Medizin nutzbar gemacht werden.  

Nach traditionell christlichem Verständnis dreht sich alles menschliche Streben um die Heilung von Tod und Sünde. Demgegenüber dreht sich in der gegenwärtigen westlichen Kultur alles um die Hinauszögerung des Todes und die Verdrängung der Sünde. Selbst das Christentum soll von seiner Sünden-Fixiertheit „geheilt" werden. Nach traditionell christlichem Verständnis ist medizinische Hilfe, wie der Heilige Basilius von Caesarea (Die Mönchsregeln, Regel 55) lehrte, nur im Zusammenhang mit dem Blick auf das ewige Heil des Menschen wahrhaft hilfreich. Der Christ soll diese Hilfe als ein Geschenk Gottes in Anspruch nehmen. Aber er soll seine Hoffnung in erster Linie auf Gott, und nur in zweiter Linie auf die Ärzte richten. Demgegenüber richtet sich das gegenwärtige Bemühen darauf, das ewige Heil durch die medizinische Therapie zu ersetzen. Traditionell sollen Christen ihr Leid selbst schon als hilfreiche Warnung verstehen, ihr Leben auf sein wahres Ziel hin zurechtzurücken. Wo keine medizinische Heilung mehr möglich ist, sollen sie ihre Leiden im Bemühen um Reue und Buße auf sich nehmen, d.h. innerlich „ja" dazu sagen. Das in diesem Geist mit Geduld ertragene Leiden ist selbst schon wirksame Therapie für die von Sünden verwundete Seele. Demgegenüber zielt die gegenwärtige therapeutische Nutzung religiöser Ressourcen darauf, derartige Reue als krankmachend auszuschalten.

Bei alledem kommt dem therapeutischen Weltbild eine besondere Rolle zu. Mit der konstruktivistischen Säkularisierung der Religion im Allgemeinen und des Christentums im Besonderen muss ja die institutionelle Repräsentation des letzteren neu gestaltet werden. An die Stelle der Kirche, mit ihrer unausrottbaren Orientierung auf ein Jenseits hin, tritt dieses Weltbild als unbezweifelbar diesseitige Instanz, - als Anti-Kirche.

Da hierbei der Begriff der Sünde ausgeschaltet bleiben muss, bedarf es im Umgang mit menschlichem Fehlverhalten und seinen das psychische Wohlbefinden des Täters belastenden Schuldgefühlen neuer Strategien. Was früher (und auch heute noch unter Traditions-treuen Christen) als „Sünde" all jene Handlungen oder Versäumnisse bezeichnete (und noch bezeichnet), die den Menschen von Gott entfernen und ihn vom Lebenszweck einer zu erlangenden Heiligkeit ablenken, wird nunmehr nach moralischen und rechtlichen Kategorien neu geordnet und orientiert sich am säkularen Menschenbild des Liberalismus. Je nach Schweregrad dieser Verfehlungen nehmen die therapeutischen Reaktionen verschiedene Form an.. Manche Handlungen, so wird argumentiert, galten lediglich früher als sündhaft, sind jedoch heute allgemein akzeptiert. (Hierzu gehören zum Beispiel sexuelle Beziehungen außerhalb einer christlichen Ehe, homosexuelle Akte, Abtreibung, Selbstmord bzw. Selbstmordversuch, Blasphemie und Götzendienst.) Als angemessene Therapie gilt, wenn Betroffene von ihren „offenbar unbegründeten" Schuldgefühlen befreit werden. Andere Handlungen werden als kriminell eingestuft. Sie werden nicht mehr als sündhaft sondern als unmoralisch verstanden, weil sie die Normen gegenseitigen Respekts zwischen Personen verletzen. (Hierzu gehören zum Beispiel Mord, Vergewaltigung, Diebstahl, Betrug.) Die empfohlene Therapie verzichtet angesichts solcher Vergehen auf den Gedanken der Strafe oder Vergeltung ebenso wie auf die Zielsetzung der Reue. Vielmehr gelten die strafrechtlichen Maßnahmen selbst wieder therapeutische Hilfsmittel bei der Resozialisierung des Delinquenten und bei der Kompensation von Versäumnissen in seiner Erziehung und Ausbildung. Die dritte Gruppe von Handlungen kam früher als Sünde nicht einmal in Betracht, gilt heute aber als (in manchen Fällen sogar kriminelle) Übertretung zentraler moralischer Normen. (Hierzu gehören zum Beispiel  die „Verletzung der Menschenwürde" durch religiöse, sexistische oder rassistische „Diskriminierung", oder die religiöse Unterweisung und sogar körperliche Züchtigung Erziehungsbefohlener.) Eine „angemessene Therapie", besonders wenn die Täter krank, leidend oder am Lebensende angelangt sind, besteht hierbei in der Erarbeitung von Versöhnungsritualen, die Patienten mit anderen oder sogar mit sich selbst durchführen können, und denen der Gedanke einer rituellen Selbsterlösung als (leere) Hoffnung zugrundeliegt.

Diese Entwicklungen greifen tief in die ehemals christliche Kultur Europas und der beiden Amerika ein. Sie bezeichnen den wachsenden Gegensatz zwischen traditionalen und post-traditionalen Kulturen in diesen Ländern. Überdies markieren sie eine sich vertiefende Kluft innerhalb des Christentums selbst: Es stellt ja der von Traditions-treuen Christen erfahrende und geglaubte Gott das gesamte Projekt der Postmoderne in Frage. Dieses Projekt gesteht jedem Menschen das gleichsam selbst-schöpferische Recht zur Komposition seiner eigenen Herkunfts-Geschichte und Definition seiner Lebensziele zu. Es sichert ihm volle Verfügungsmacht über seine Vergangenheit und Zukunft. Demgegenüber fasst der Gott der Christen die gesamte Wirklichkeit samt den Menschen und ihren Selbstdefinitionen unter den Geltungsbereich der durch Sein Heils-Handeln gewichteten und Ziel-gerichteten Geschichte. Die post-moderne Ermutigung zur Konstruktion eines je persönlichen Lebenssinns wird von der radikal transzendenten und doch zugleich offenbaren Gegenwart Gottes außer Kraft gesetzt. Diese selbe postmoderne Überzeugung von der Freiheit des Individuums, nach eigenem Belieben sein Glück zu suchen, wird durch eine Kirche bedroht, die als einzig gültige Versammlung der Gläubigen den einzig wahren Glauben verkündet und die einzig richtige Verherrlichung dieses unwillkommenen Gottes zu verwirklichen beansprucht. Diese Kirche verweist das post-moderne Individuum an seine Eingebettetheit in eine den Kosmos umfassende Wahrheit, die dieses Individuum aus seiner post-modernen Unbekümmertheit heraus zu Reue und Taufe ruft. Auch eine Bioethik, die sich am Licht dieser Wahrheit orientiert, muss sich einer solchen reduzierenden Kultur entgegenstellen; sie muss den Begriff der Sünde in den Mittelpunkt stellen. Nichts könnte entschiedener „politisch inkorrekt", nichts störender sein für einen rein innerweltlich verstandenen „Frieden".  

Zitierte Literatur:

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Engelhardt, H. Tristram, (2000), The Foundations of Christian Bioethics, Swets and Zeitlinger, Lisse, The Netherlands

Engelhardt HT, Delkeskamp-Hayes C (im Druck): „Der Geist der Wahrheit und die ‚Legion' der Spiritualitäten. Ein orthodoxer Blick auf die Klinikseelsorge im religiösen Pluralismus." In: Frick E, Roser T (Hg.): Spiritualität und Medizin. Gemeinsame Sorge für den kranken Menschen. Stuttgart, Kohlhammer

Evangelische Akademie Tutzing, (2006) Krankheit und Heilung, program, zugänglich unter: http://www.ev-akademie-tutzing.de/doku/programm/upload/909.pdf, gelesen 27 Jan. 2007

Gabriel, Karl, 2006, Religionen, Kulturen, Religionslosigkeit: Herausforderungen für die Institutionen des Gesundheitswesens, Titel siehe: http://www.ev-akademie-tutzing.de/doku/programm/upload/909.pdf, Vortrag gehalten während der Tagung.

Gerkin, Charles V. (1997), An Introduction to Pastoral Care, Abingdon, Nashvill, TN.

Jones, Kenneth, C. (2003), Index of leading Catholic indicators: The church since Vatican II, Roman Catholic Books, Fort Collin, Co

Kass, Jared, D., Friedman, Richard, Leserman, Jane, Zuttermeister, Patricia, Benson, Herbert, (1991), Health Outcomes and a new index of spiritual experience, Journal for the Scientific study of religion, 30,2, pp. 203-211

Meier, Christoph, 2006, Einführung, Titel siehe: http://www.ev-akademie-tutzing.de/doku/programm/upload/909.pdf, gelesen 27 Jan. 2007, Vortrag gehalten bei der Tagung.

Neumann, Josef .N., 2006, Die Suche des Menschen nach Heilsein. Krankheit und Heilsein als kulturbestimmte Pänomene. zugänglich über: http://www.ev-akademie-tutzing.de/, Programm, Archiv, 10.-12.11.2006,  Krankheit und Heilung, Neumann; gelesen 27 Jan 2007

Städler-Mach, Barbara, 2006, Krankheit und der Umgang damit in der christlichen Frömmigkeitsgeschichte, Kurzversion des Vortrags zugänglich über: http://www.ev-akademie-tutzing.de/, Programm, Archiv, 10.-12.11.2006,  Krankheit und Heilung, Städler-Mach; gelesen 27 Jan 2007

Straube, Eckhart R., 2006,  Krankheit, Gesundheit, Heilung in alternativen europäischen Glaubensformen, Zusammenfassung unter: http://www.ev-akademie-tutzing.de/, Programm, Archiv, 10.-12.11.2006,  Krankheit und Heilung, Straube; gelesen 27 Jan 2007

Utsch, Michael, 2006, Was macht krank - wer oder was heilt? Zusammenfassung zugänglich unter: http://www.ev-akademie-tutzing.de/, Programm, Archiv, 10.-12.11.2006,  Krankheit und Heilung, Utsch; gelesen

Zabala, Santiago, 2005, Introduction: A Religion Without Theists or Atheists, in:The Future of Religion, ed. S. Zabala, Columbia University Press, New York


[1a] Obwohl geographische Zuordnungen in einer globalisierten, durch Migrationsbewegungen geprägten Welt eigentlich nicht mehr angemessen sind, sollen unter „westlichem" Christentum die Glaubensgemeinschaften verstanden werden, die sich aus der lateinischen, auf die Institutionen des Vatikan hin ausgerichteten, Tradition entweder als Bewahrer (im Römischen Katholizismus) oder als Kritiker (in den Gruppierungen der Reformation) herleiten. „Östliches Christentum" bezeichnet entsprechend die christliche Orthodoxie.
[1] Aus diesem Grunde hat die Zeitschrift Christian Bioethics in den letzten Jahren diesem Thema drei Hefte gewidment, nämlich „Sin and Bioethics" (2005, 11, Nr. 2), „Sin and Disease" (2006, 12, Nr. 2) und „Sin and Disease in a Post-Christian Culture" (2007, 13, Nr. 1)

[2] Weder in den Vorträgen noch während der Diskussionen bei dieser Tagung kam der Begriff der „Sünde" als ein ernst zu nehmendes Thema zur Sprache. Der spirituelle Horizont beschränkte sich auf  Gottes Liebe (Gabriel, 2006) und auf das menschliche Leiden, das lediglich aus der „unvermeidlichen Begrenztheit des Menschen und seiner Bemühungen" verursacht verstanden wurde (Neumann, 2006). Nur in historischen Rückblicken auf eine von Hildegard von Bingen und Luther inspirierte Volksfrömmigkeit tauchte in Verbindung mit Krankheit der Rekurs auf Sünde als soziologisches Faktum auf (Städler-Mach, 2006).

[3] Bei der Tutzinger Tagung reduzierte Gabriel (2006) Transzendenz auf eine phänomenologisch herleitbare subjektive Empfindung, deren Realität sich durch zwischenmenschliche Kommunikation als „sakralisiertes Selbst" hervorbringen läßt.

[4] Der wichtigste englische Aufklärer David Hume (1711-1776) sah die „positiven" (d.h. traditionellen) Religionen als Brutstätten des Aberglaubens und des Fanatismus, und somit als Ursache gewalttätiger Auseinandersetzungen (cf. sein Aufsatz Of Superstition and Enthusiasm, 1777). Da religiöse Differenzen sich rational nicht auflösen lassen, empfahl Hume die Beschränkung auf das wissenschaftlich Nachweisbare und den gemeinen Menschenverstand. Religion erscheint als Friedensrisiko. Der wichtigste deutsche Aufklärer, Immanuel Kant (1724-1803) reduzierte den „wahren Inhalt" des Christentums auf dessen moralischen Lehren (cf.Kant's Religion in den Grenzen der bloßen Vernunft, 1794). Danach ist es gleichgültig, zu welcher Religion man gehört, solange man nur ein anständiges Leben führt. Eine solche Reduktion setzt für Christen (wie auch für Juden) den wesentlichen inneren Zusammenhang zwischen richtigem Handeln und richtiger Verherrlichung Gottes außer Kraft.

[5] G.W.F. Hegel (1770-1831) zog seine eigenen Konsequenzen aus dem Verlust der Transzendenz. Er erkannte, daß sich in den sich säkularisierenden Christentümern Mittel- und West-Europas  das Gefühl verbreitet hatte, daß „Gott tot ist" (Hegel, Glaube und Wissen, 1802/3). Darum verlegte er die Bedeutung der Religion in den Bereich philosophischer Kategorien und kultureller Entwicklungsformen.

[6] In Amerika ist aus dieser Suche eine eigene „clinical pastoral education" - Bewegung hervorgegangen. Sie integriert Krankenhausseelsorger in das therapeutische Team (Ein Überblick über dieserBewegung bietet z.B. Gerkin, 1997) Das Interesse jener Seelsorger an solcher Kompetenzerweiterung ist begreiflich. Da die Gesundheitsbudgets entwickelter Länder häufig mehr als 10% des Bruttosozialprodukts ausmachen, verspricht eine Anerkennung ihrer therapeutischen Nützlichkeit den finanziell weniger gut abgesicherten Pfarrern einen Zugewinn an Macht, Prestige und Einkommen. Sie können sich hierzu auf empirische Befunde stützen, wonach „Religion gut für die Gesundheit" ist (vgl. Kass et al., 1991). Auf medizinischer Seite läßt sich von der Einbeziehung einer religiösen Dimension in das Behandlungskonzept Abhilfe für die psychologisch negativen Folgen des Glaubensverslusts in modernen Gesellschaften erhoffen. Immerhin haben die beiden größten Glaubenssysteme des 20. Jahrhunderts, der römische Katholizismus und der Kommunismus, ihre Bindekraft verloren. Für die römisch katholische Kirche gilt dies insbesondere durch die im zweiten vatikanischen Konzil durchgesetzten Änderungen. Sie brachten eine tiefgreifende Orientierungskrise hervor, der zu einem dramatischen Verlust an Ordensleuten, Kirchgängern und Priestern führte. (Für den amerikanischen Kontext läßt sich dies gut verfolgen an den von Jones, 2003 zusammengestellten Statistiken.)

[7] Was nach christlichem Verständnis durch „Tradition" weitergegeben wird (lat. trans-dare), ist die erleuchtende Einwohnung des Heiligen Geistes in den Heiligen. Weitergegeben werden insbesondere die Wege, die den Menschen zur Heiligkeit und Einigung mit Gott, und damit zur Empfänglichkeit zur Erleuchtung durch den Geist, führen. Tradition im Sinne einer von der Kirche bewahrten Lehre geht also unmittelbar auf die Wirkung göttlicher Energien in ausgewählten Menschen zurück.

[8] So bedeutet anomia, einer der griechischen Ausdrücke für „Sünde",  das Übertreten eines göttlichen Verbots. Schon die bloße Idee göttlicher Verbote oder Gebote gilt heutigen „liberalen" Christen als zwanghaft. Sie ersetzen den von Gott geforderten Gehorsams durch eine durch Gott gestiftete Berufung. Diese läßt sich dann leicht zur Selbstverwirklichung oder persönlichen Erfüllung hin modernisieren. Auch suggeriert sie, daß die Bereitwilligkeit eines Menschen, seiner göttlichen Berufung zu folgen, ganz folgenlos ins Belieben des Gerufenen gestellt bleibt (was für den Gebots-Ruf, der im „Gehorsam" mitschwingt, durchaus nicht der Fall ist). Oberflächlich betrachtet kommt einer solchen Umdeutung das griechische hamartia als Verfehlung eines Ziels eher entgegen. Aber, wie Kierkegaard in seiner Interpretation der Opferung Isaaks durch Abraham richtig feststellte: die Ziele, die Gott uns vorsetzt, bezeichnen letztlich Weisen, in denen wir uns Gott auf rechte Weise nähern sollen, nicht hingegen Weisen, in denen wir unsere eigenen Wünsche erfüllen könnten (cf. Furcht und Zittern, 1843). Ein weiterer Versuch, das Reden von Sünde kulturell zu verharmlosen, setzt beim dritten griechischen Begriff der asthenia, der Kraftlosigkeit an, die als Mangel an Tugend interpretiert wird. Allerdings läßt sich nach traditionell christlichem Verständnis wahre Tugend nur durch Teilhabe an den ungeschaffenen Energien Gottes gewinnen, und diese Teilhabe setzt wiederum den Gehorsam voraus.

[9] Dabei ist unsere vermeintlich „zwangsfreie" Gesellschaft blind für die neuen Zwänge, denen die durch die Aufklärung „befreiten" Menschen in einem wiederum zur Ideologie gewordenen individualistischen, hedonistischen und verrechtlichten Liberalismus ausgesetzt sind.

[10] Es ist diese Einsicht, die traditionale von post-traditionalen Christen unterscheidet. Das Augustinische Mißverständnis des Sündenfalls erstreckte sich nämlich auch auf die (von gnostischen und neuplatonischen Strömungen beeinflußte) Meinung, jener Verlust der unmittelbaren Beziehung zu Gott habe das („höhere") menschliche Erkenntnisvermögen unberührt gelassen. In der Scholastik wurde dieses Erkenntnisvermögen zunehmend mit dem lediglich immanenten Menschenverstand identifiziert, der dann in der Aufklärung, losgelöst von theologischen Vorgaben und Erfahrungen,  als kompetent zur Begründung von Moral, Recht und Tugend behauptet wurde. (vgl. Engelhardt, 2000, S. 18 ff).

[12] Auch bei der Tutzinger Konferenz spielten die bekannte Entkirchlichung und der Verlust eines Glaubens an einen persönlichen Gott und ein Leben nach dem Tode eine Rolle (Gabriel, 2006). Entsprechend schlug Utsch (2006) vor, die christliche Spiritualität als eine persönliche Einstellung vom Kirchenbesuch zu trennen.

[13] Bei der Tutzinger Konferenz wurde angesichts solcher Argumente empfohlen, jeden Zusammenhang zwischen Krankheit und Sünde (in Mißachtung gegenteiliger Aussagen Jesu, wie etwa in. Mk.2:5) außer Betracht zu lassen (Neumann, 2006).

[14] Selbst ein liberaler Kronzeuge der säkularen Aufklärung wie Jürgen Habermas hat dies in den letzen Jahren zugeben müssen, cf. seine Rede zur Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels, Frankfurt, 2001.

[15] Zum Problem der Unterscheidung der Geister beim therapeutischen Einsatz von Spiritualität siehe auch H.T. Engelhardt und C. Delkeskamp-Hayes

[16] Auch der einzige, der bei der Tutzinger Tagung den Konstruktivismus theologisch kritisierte und vor der therapeutischen Instrumentalisierung des Christentums warnte (Utsch, 2006), verwendete den Begriff eines „positiven" Glaubens, dem er in der Diskussion empirisch feststellbare therapeutische Wirkung zusprach. Obwohl er somit vor theologischer Verfälschung des Christentums warnte, ließ er sich dennoch auf das theologische Projekt einer Abtrennung des weltlichen vom ewigen Heil ein.

[17] Selbst bekennende Christen halten sich heute meistens von eindeutig festgelegten, institutionalisierten Formen ihres Glaubens fern und praktizieren großzügigen Synkretismus. Auch dort, wo sie noch am christlichen Leben in der Gemeinde teilnehmen, bringen sie ihre eigenen Vorstellungen mit ein: Sie beschränken sich auf die theologischen Wahrheiten, die ihnen persönlich am plausibelsten oder hilfreichsten erscheinen, und sie öffnen sich für Einflüsse aus anderen Glaubenswelten. Sie zimmern ihr eigenes Christentum Bedürfnis-gemäß zurecht. Auf der Ebene der akademischen Forschung entspricht diese Entwicklung der Verwandlung theologischer Fakultäten in religionswissenschaftliche Seminare.

[18] Cf. Meier als Präsident der Tutzinger Tagung in seiner Eröffnungsansprache. In eben diesem Sinne definierte Gabriel (2006) die Religionen als das fortdauernde Gedächtnis für die Traditionen einer Kultur, das die für die Gegenwart möglichen Erwartungen festlege.  In der Diskussion einigten sich beide Vortragende auf die „authentische Lebensgestaltung" als ein Kriterium für die (wie man sagen könnte) „religiöse Korrektheit" eines Glaubenden. Auch in Städler-Machs Darstellung von traditionell christlichen Bewältigungsformen von Krankheit wurden die dabei eingesetzte Frömmigkeit als rein psychologisches Hilfsmittel verstanden. In ähnlich reduzierendem Sinne konstruierte Straube (2006) die Religion als die Hervorrufung eines „ozeanischen Gefühls" der Teilhabe an etwas, das größer ist als wir selbst, während Neumann (2006) das „Heil" als das Ziel des heilenden Helfens in die Gewinnung einer Einstellung verlegte, die es dem Patienten erlaubt, seine Lebenskonflikte und Begrenzungen in einen größeren Zusammenhang zu stellen, von dem her das resultierende Leiden angenommen werden kann (S. 2, 5, 9). Jede Hoffnung auf ein Eingreifen Gottes in den Ablauf der natürlichen Ereignisse lehnte er als eine Verführung zu magischen Vorstellungen ab (S. 10).

[19] Auch bei der Tutzinger Tagung wurde, wie im Großteil der protestantischen theologischen Literatur von heute, das „Königreich Gottes" in das solidarische Miteinander von Menschen hier auf Erden verlegt (Neumann 2006, S. 9). So interpretierte auch Meier in der Diskussion die Heilung der blutflüssigen Frau (Lk 8:43-8) durch Jesus als ein zunächst bloß magisches Geschehen, das anschließend in eine menschliche Begegnung verwandelt wurde und hier seine entscheidende Bedeutung entfaltete. Als entscheidendes Ergebnis wurde festgehalten, dass Gott (allein) durch menschliche Begegnungen wirkt.

[20] So blieb es bei der Tutzinger Tagung ganz unklar, wie, wenn die Leere eines religiösen Wunschdenkens einmal zugestanden, dabei aber zugleich der Gedanke an einen richtenden Gott als schädlich ausgeschaltet und alle Bezugnahme auf Sünde vermieden wird (Utsch,  2006), Leidende trotzdem noch Heilung „durch die Wunden Christi" sollten erhoffen können (op.cit.). Auch der Versuch, Christi eigenes Leiden als für Patienten tröstlich darzustellen (Neumann, 2006, S. 9) bleibt, sobald dieses Leiden uns nicht mehr von Tod und Sünden erlöst, uneinsichtig. Am Ende reduzierte sich bei den Diskussionen die heilende Kraft der mitmenschlichen Solidarität entweder auf die Befreiung von Schuldgefühlen durch gewährte gegenseitige menschliche Anerkennung, d.h., soziale Integration, oder auf das Ziel, dem Patienten eine Konzentration auf das eigene Selbst zu vermitteln. Hierdurch sollten Patienten eine neu gewagte „Offenheit für Sinn" bei der Betrachtung alltäglicher Ereignisse erlangen, eine Offenheit, die über ihr auf ein enges Umfeld begrenztes Leben hinausweist.

[21] In traditionellen Gesellschaften spielt die Beständigkeit und metaphysische Verankerung zentraler Rituale oder Zeremonien eine wesentliche Rolle bei der Einbindung ihrer Mitglieder über Zeit und Raum hinweg. So bindet das jüdische Passah-Ritual seit Jahrhunderten und in der ganzen Welt die Teilnehmenden zur Gemeinde. Darum hängt das Bestehen einer Kultur auch vom Kult ab, und dieser wird aufrechterhalten durch die Beibehaltung der zugehörigen Rituale.

[22] Eine der wichtigsten Quellen im Neuen Testament zur rituellen Krankensalbung und damit verbundenen Sündenvergebung findet sich bei Jak. 5:13 ff.

[23] Bei der Tutzinger Tagung ging Städler-Mach sogar so weit, die Theologie (und damit alles das, was den Inhalt der Rituale verbürgt) von den Glaubenspraktiken der Einzelnen abzutrennen und heilende Wirkung nur von den letzteren zu erwarten.

Wie weit diese Verarmung in der Einschätzung der Rituale heute schon gediehen ist, wird deutlich an der Schwierigkeit, die es für viele Patienten vor einer plötzlich anberaumten Operation mit sich bringt, nicht nur irgend einen irgendwie christlichen Seelsorger für die von ihnen gewünschte Vorbereitung herbeirufen zu lassen, sondern den Seelsorger, zu dessen Kirche sie selbst gehören: Wo niemand die Wünsche des Patienten durchsetzt, begnügt sich das unter Zeitdruck stehende Klinikpersonal damit, den Geistlichen zu rufen, der telefonisch am leichtesten erreichbar ist.

[24] Zumindest bei der Tutzinger Tagung entsprach dieser Möglichkeit auch die Wahrnehmung einer gewissen Dringlichkeit. So erkannte Gabriel, dass zur erfolgreichen Kontingenzbewältigung (dem nach konstruktivistischem Credo entscheidenden Zweck der Religion) auch menschliche Solidarität nicht immer hinreicht. Darum empfahl er, Körper-bezogene Liturgien und Rituale einzusetzen. Ähnlich verstand Neumann (2006,  s. 5) die Religion als auf Bilder und Rituale gestützte, symbolische Interpretation, wodurch die in der rauen Wirklichkeit unüberwindlichen Grenzen menschlicher Existenz in die eigene Lebensführung integrierbar werden. Rituale sollen diese Grenzen ihres bedrohlich eingreifenden und unbewältigbaren Charakters entkleiden.

Quelle: Портал Богослов.Ru

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Die Lehre der Bibel und der Heiligen Väter über das Bild und die Ähnlichkeit Gottes im Menschen und das evolutionstheoretische Konzept der Anthropogenese: die Problematik der Zuordnung
(Vortrag anlässlich der 17. Internationalen Weihnachtlichen Bildungslesungen)

13. März 2009
Mumrikov Oleg, Priester

Inwiefern lässt sich zwischen der biblischen Erzählung von der Erschaffung des Menschen und den wissenschaftlichen Vorstellungen über die Anthropogenese eine Beziehung herstellen? Diese Frage bildet den Ausgangspunkt jahrelanger Diskussionen zwischen den Vertretern der kreationistischen und der evolutionstheoretischen Sichtweise. Priester Oleg Mumrikow, Dozent an der Moskauer Geistlichen Akademie, stellt in seinem Vortrag die Problematik des Verhältnisses zwischen Wissenschaft und Glaube am Beispiel der Lehre der Bibel und der heiligen Väter über das Bild und die Ähnlichkeit Gottes[1] im Menschen im Kontext der Schöpfungsgeschichte dar.

Der Ursprung der Menschheit ist eines der Schlüsselthemen der modernen Apologetik. Dabei ist die Frage nach der Zuordnung der ersten Kapitel des Genesis-Buches zum evolutionären Konzept der Anthropogenese der Punkt, der die lebhaftesten Diskussionen hervorruft. In erster Linie werden diese geführt zwischen den so genannten wissenschaftlichen Kreationisten, die „den Vorrang des Wortes" vor wissenschaftlichen Erkenntnissen postulieren, und den so genannten Teleologisten, die sich vor allem auf die biologische Anthropologie und ein allegorisches Verständnis des Heiligen Textes stützen.

Leider neigen die Befürworter beider Vorgehensweisen methodologisch zu einer konsequenten mechanischen Reduzierung des Ganzen auf die einfache Summe seiner Teile. In der modernen Naturwissenschaft hat man den Reduktionismus längst zugunsten der ihm entgegengesetzten holistischen (ganzheitlichen) Vorgehensweise in Weltanschauung und Methodologie ad acta gelegt. In der Apologetik ist jedoch hier und da eine gewisse Denkträgheit festzustellen, eine rigorose Setzung von „Entweder-oder"-Fragen. So müssen wir entweder, trotz der anthropologischen und paläontologischen Befunde, glauben, dass Adam vor etwa siebeneinhalb Jahrtausenden zusammen mit Dinosauriern und Hominiden gelebt habe und der Neandertaler „einfach ein Mensch war, der in Armut lebte und an Arthritis und möglicherweise auch an Syphilis litt" (?!)[2], oder mit F. Collins[3] gestehen, dass „die Geschichte über Adam und Eva definitiv nicht historisch ist"[4].

Dieser Vortrag beansprucht nicht, in diese Diskussion einzutreten. Unsere Aufgabe ist es, die  Komplexität des Gesamtproblems am Beispiel eines einzelnen Aspekts aufzuzeigen, nämlich der Lehre der Bibel und der Heiligen Väter über das Bild und die Ähnlichkeit Gottes im Menschen im Kontext der Erzählung von seiner Erschaffung.

In der modernen westlichen Exegetik sind Auslegungen weit verbreitet, die für eine in der Zeit gedehnte, „stufenweise" Erschaffung des ersten Menschen sprechen (Gen. 2:7: „Da bildete Gott, der Herr, den Menschen aus Staub vom Erdboden und hauchte in seine Nase Atem des Lebens; so wurde der Mensch eine lebende Seele"[5]). „Bei der Anerkennung der evolutionären Hypothese und ihrer Anwendung auf den Menschen ist es notwendig, auch das Wirken Gottes des Schöpfers anzuerkennen, welcher der Materie die Fähigkeit zum Evolutionieren verleiht (...). Aber in diesen evolutionären Prozess mischte sich ein qualitativer Sprung ein, der durch die Erschaffung des geistlichen Elements verursacht war (...). Das letztere stellte eine neue Erscheinung dar, die von außen, also von der Einmischung Gottes des Schöpfers stammte", schreiben die katholischen Exegeten Enrico Galbiati und Alessandro Piazza[6]. Diese Autoren folgen damit der Richtung, welche die päpstliche Enzyklika "Humani generis" (1950) vorgegeben hatte[7] und nach der freie Studien und Diskussionen über die evolutionäre Hypothese des Ursprungs der Menschheit genehmigt wurden.

Ähnliche Sichtweisen können in den Arbeiten protestantischer Theologen gefunden werden, u.a. im Werk des amerikanischen Forschers Ian G. Barbour[8] und in den Werken der anglikanischen Priester Arthur Peacocke[9] und John Polkinghorne[10]. Der letztere schrieb: „Der Sündenfall darf nicht als ein einzelner todbringender Akt unserer Urahnen verstanden werden, von dem all unser Unglück herrührt. Dennoch muss es im Laufe der menschlichen Evolution eine Periode des Erwachens des Selbstbewusstseins gegeben haben, die mit einer beginnenden Besinnung auf Gott einherging, während der sich das Menschliche durch die Gegenüberstellung mit dem Göttlichen vergewisserte. (...) Genau so darf heute das traditionelle theologische Konzept der Vererbung der Sündhaftigkeit durch den Menschen" verstanden werden[11]. (Hier begegnen wir nicht nur einer Vermischung der Ereignisse - der Entstehung des Menschen einerseits aus dem Nicht-Sein und dem Sündenfall, - sondern auch einer sehr gefährlichen Tendenz, die dogmatische Lehre über die Ursünde - und dementsprechend über die Erlösung - von Grund auf in Frage zu stellen[12])

In den Veröffentlichungen einiger orthodoxer Autoren tauchen ähnliche, jedoch vorsichtigere Auslegungen von Gen. 2:7 auf. So schreibt Erzpriester Nikolaj Iwanow: „Früher galt die Meinung, dass die Erschaffung des Menschen in einem Augenblick geschah. Diese Meinung war sowohl mit der Vorstellung über die Allmächtigkeit Gottes als auch mit einem statischen Verständnis der Welt insgesamt verbunden, das nicht nur für die antike Welt, sondern auch noch für die jüngere Zeit prägend war"[13].

Demnach unterscheiden mehrere moderne Exegeten im Akt der Schöpfung des Menschen zwei Phasen: erstens die Erschaffung des Körpers im Gange der natürlichen biologischen Evolution, und zweitens die Einhauchung „des Atems des Lebens", die eben das ist, was den Menschen zum Menschen macht und also auch die Entstehung des Bildes Gottes bedeutet. Versuchen wir zu klären, inwiefern diese Sichtweise berechtigt ist.

Die biblische Vorgehensweise[14] der Wahrnehmung des Menschen als der ersten Ikone Gottes, der ihn seinem Bild und seiner Ähnlichkeit gemäß geschaffen hat (Gen. 1:26), postuliert tatsächlich eine Sichtweise, die „die Krönung der Schöpfung" vor allem als geistlich-persönliches Wesen betrachtet.

In der gegenwärtigen Auffassung wird die Persönlichkeit durch zwei Hauptparameter bestimmt: das Selbstbewusstsein, das sich in den zwei ursprünglichen fundamentalen Kategorien „Haben" und „Sein"[15] realisiert, und das Anderssein, also die Fähigkeit jedes konkreten Menschen, die ganze Tiefe der eigenen Einzigartigkeit durch den Verkehr mit anderen „Ichs" zu erleben. Da jede Persönlichkeit einmalig ist, sollte sie auch einen Namen haben, der das ausdrückt, was einem bei der Aufzählung der individuellen Eigenschaften dieses Menschen, die ihn von anderen Menschen unterscheiden, „entgeht".[16]

Außerdem ist eine Persönlichkeit auch noch durch eine ganze Reihe wichtigster Charakteristika eines Individuums gekennzeichnet, die diese von einem Tier unterscheiden: Erstens das permanente (wenn auch nach der Tragödie des Sündenfalls eventuell nicht bewusste) Streben nach dem Höchsten, Unendlichen und Absoluten; diese Suche ist direkt verbunden mit der ontologischen Unsterblichkeit der Persönlichkeit (bzw. des Geistes) des Menschen als „Bild Gottes". Sie fehlt bei Tieren, die eine niedrigere, sinnliche und folglich sterbliche Seele besitzen.[17] Zweitens die schöpferische Fähigkeit (Gen. 2:15, Gen 2:19-20) als Siegel des Bildes Gottes und besondere Gabe[18]. Drittens die Vernunft, die dabei nicht nur logisch und zur Widerspiegelung des Kosmos fähig, sondern auch spirituell ist und die innere Wahrnehmung der Wahrheit mittels des Glaubens vermittelt.

Der Ehrwürdige Maximus der Bekenner lehrte, dass der Schöpfer „nach seinem Wissen die Logoi des [= von allem] Entstandenen und die allgemeinen Wesen des Seienden"[19] gleichzeitig erschaffen habe. Und wenn die ganze Schöpfung an dem hypostatischen  Logos - also Gott dem Wort, - teilhat und in IHM vereinigt ist, dann hat insbesondere der Mensch an IHM teil, und zwar als ein besonderer geistlicher Kosmos, der aus natürlichen, moralischen und theologischen Kontemplationen besteht und in sich die Gottheit als Bild des Logos[20] widerspiegelt. Diese Gottheit „beschert dem würdigen [Menschen] ordnungsgemäß und angemessen sowohl die Kenntnisse, die in den Logoi der sichtbaren [Dinge] [enthalten] sind -  ähnlich dem Kosten des Leibes [Gottes]- als auch das Wissen, das in den Logoi der intelligiblen [Dinge] [enthalten] ist - ähnlich dem Trinken des Blutes [des Herrn]; diese hat die Weisheit seit langem und auf eine geheimnisvolle Art vorbereitet"[21]. Eben in diesem hohen Sinne haben die Heiligen Väter den Menschen als „wortbegabtes Tier" und „Logoswesen" (logikos) bezeichnet - im Unterschied zu anderen auf Erden lebenden „sprachlosen Geschöpfen"[22]. Der Erstgeschaffene Adam betrachtete die Tiere [Gen. 2:19-20], „mittels seines Logos betrachtete er sie, erkannte den verborgenen Logos jedes solchen Teils des Weltgebäudes, und erschuf für ihn einen Namen"[23].

Viertens ist die wesentliche Grundlage der Persönlichkeit als Bild Gottes „ihr königliches Privileg, ihre Größe und ihre Würde", also eben die Freiheit[24], die mit der Macht über die gesamte erschaffene Welt einhergeht (Gen. 1:28; Gen. 2:19-20; Ps. 8:7-9; Weis 10:1-7)[25]. Zugleich ist der Mensch auch ein moralisches Wesen, welches das gottgegebene innere Gesetz im Herzen trägt, das bei der freien Wahl zur Güte hin tendiert (Röm. 5:12). Mit diesem Gesetz sind das moralische Bewusstsein und das Streben nach Perfektion, also nach Heiligkeit aufs Engste verbunden[26], die selbst bei den am höchsten entwickelten Tieren fehlen. Sie beinhalten das Schamgefühl (das „die Beziehung des Menschen zu seinem ureigenen Aufbauprinzip" darstellt"[27]), das Gewissen (das ein inneres Gesetz ist, das Urteile über den positiven oder negativen Wert von Handlungen ermöglicht), die Pflicht (also der Notwendigkeit, dem moralischen Ideal entsprechend zu handeln, das für einen Menschen durch seinen Willen und seine Vernunft bestimmt wird), die Verantwortung (also der moralischen Rechenschaftspflicht für eine begangene Handlung) und, schließlich, [das Konzept der] Vergeltung[28].

Obwohl der Mensch „in seiner geistlichen Struktur und seinem Leben" sogar das innertrinitarische Leben „nach dem Bilde" widerspiegeln kann[29], ist für uns das Wesen der menschlichen Natur selbst in gewissem Sinne nach wie vor ein Geheimnis und ein Mysterium[30]; denn auch wenn eine Persönlichkeit ihre innere Welt im Prozess ihrer Entstehung und Entwicklung erkennt, steht es nicht in ihrer Macht, „den Abgrund ihrer eigenen Natur" völlig zu begreifen.

Die partielle semantische Ersetzung des Eigennamens „Adam" durch den allgemeinen Gattungsnamen „Mensch" im Masoretischen Text, in der Septuaginta und in einigen anderen Übersetzungen, ist von deren Exegeten längst bemerkt worden. Der Grund dieser „Abweichungen der Lesarten" liegt sicherlich nicht im willkürlichen Umgang der Übersetzer mit den Heiligen Texten, sondern in einer Führung durch die Vorsehung während der Entstehung des von Gott inspirierten Textes der Septuaginta.

Der tiefe semantische Zusammenhang zwischen den Wörtern „Adam" und „anthropos" klärt sich dann endgültig im Kontext der Theologie der Heiligen Väter. „Das Wort, das sagt: Gott schuf den Menschen (hervorgehoben durch uns - Priester O.M.), weist durch die Unbestimmtheit der Bezeichnung auf die gesamte menschliche [Natur]. Denn hier wird das Erschaffene nicht `Adam´  genannt, so wie in der darauf folgenden Erzählung, sondern der erschaffene Mensch hat einen Namen, der nicht konkret, sondern allgemein ist. Folglich werden wir durch diesen allgemeinen Namen zu der Vermutung gebracht, dass in dieser ersten Anordnung das gesamte Menschliche mit  göttlichem Vorherwissen und göttlicher Kraft umfangen ist. (...) Und so, wie ein Mensch je nach seinem Körper quantitativ umfangbar ist und ein quantitatives Maß seiner Hypostase existiert, das auf die Körperoberfläche beschränkt ist, so ist auch die volle Gesamtheit der Menschheit, denke ich, wie ein Körper, durch die vorherwissende Kraft Gottes des Ganzen, umfangen (...). Denn das Bild befindet sich nicht in einem Teil der Natur, und die Gnade ist  nicht in irgendeinem Element, das in ihm existiert; sondern diese Kraft verbreitet sich über die ganze Gattung (...). Also ist die gesamte Natur, die sich von den Ersten bis zu den Letzten verbreitet, das eine Bild von `Ich Bin´[31]", schrieb der Heilige Hierarch Gregor von Nyssa[32]. So entfaltet sich im Menschen und in der Menschheit das Bild Gottes als ein einmaliges Siegel der Dreieinigen Gottheit.

Die untrennbare Einheit des ersten Menschenpaares und ihrer Nachkommen, die auch schon vollwertige Persönlichkeiten waren, sollte dieses Bild Gottes und dessen Ähnlichkeit in ihrer vollen Ganzheit entfalten, und nur die Tragödie des Sündenfalls störte die Verwirklichung der Absicht des Schöpfers. Im gefallenen Zustand ist der Mensch nicht mehr Persönlichkeit im vollen Sinne des Wortes, da er zu einem Individuum wird, das sich einen Teil der gemeinsamen Natur egoistisch „aneignet". „Denn das Bild Gottes erreicht seine Vollständigkeit nur dann, wenn die menschliche Natur der Natur Gottes ähnlich wird... es existiert nur eine Natur, die allen Menschen gemein ist, obwohl sie uns als durch die Sünde zersplittert und in viele Individuen zerteilt zu sein scheint. Dies ist die ursprünglich geschaffene und in der Kirche wiederhergestellte Einigkeit der Natur", verdeutlicht W.N. Losskij[33], der sich streng an der Überlieferung der Heiligen Väter orientiert[34].

Außerdem ist, wie bereits erwähnt, das wichtigste fundamentale Charakteristikum einer Persönlichkeit eben ihr Anders-Sein, also die Fähigkeit jedes konkreten Menschen, sich der ganzen Tiefe der eigenen Einzigartigkeit durch den Umgang mit anderen „Ichs" bewusst zu werden. In diesem Sinne bewirkt die Erschaffung der Frau aus der Rippe Adams die Trennung in zwei Geschlechter und die Vermehrung der Hypostasen der einen menschlichen Natur, eben des persönlichen Selbstbewusstseins, das „sich vollkommen nicht in einem auf sich selbst geschlossenen, vereinzelten `Ich´ auffaltet, sondern (...) nach seiner Beschaffenheit (...) eine `Er´-Bestätigung impliziert und sich endgültig nur im `Wir´ verwirklicht. Nach einer prägnanten Bezeichnung des Vaters Sergius Bulgakow erkennt eine erschaffene Persönlichkeit sich als solche nur, indem sie „sich im Spiegel der anderen `Ichs´ sieht"[35]. Sonst kann sie beginnen, die eigene Existenz anzuzweifeln. Davon überzeugt uns der biblische Text in der Originalsprache. Indem Ch. Yannaras Gen. 2:23 kommentiert, merkt er an, dass Adam sich in Bezug auf die Existenz seiner Gefährtin bestimmt und benennt. Nach der Erschaffung Evas ist er nicht einfach Adam ('Adam), sondern ein Mann (ish), während diejenige, die „vom Mann genommen ist", die Bezeichnung „Frau" (isha) bekommt[36].

Alle oben aufgezählten Aspekte scheinen tatsächlich nur das im Menschen wirkende geistliche Prinzip zu betreffen. Aber nicht ignoriert werden sollte ein so wichtiger Punkt, wie die symbolische und geheimnisvolle Widerspiegelung des „Bildes und der Ähnlichkeit Gottes" nicht nur in der Seele, sondern auch in der Leiblichkeit des Menschen. Dabei geht es nicht nur um das erstgeschaffene und sündlose Bild, sondern um eines, das sich nach der Sündenfall-Tragödie im Zustand der Leidenschaftlichkeit und Vergänglichkeit befindet. In der „Krönung der Schöpfung" strömt der das Bild des Schöpfers tragende Geist nach dem Göttlichen Plan durch die Materie; er vereinigt sich mit der Leiblichkeit zu einem einheitlichen Ganzen. Darauf weisen direkt oder indirekt einige Väter hin, unter anderem der Selige Augustinus, der schrieb, „es wäre keine Unvereinbarkeit, zu sagen, dass sogar der Körper Gott ähnlich erschaffen ist (hervorgehoben durch uns - Priester O.M.)", da er im Vergleich zu den anderen materiellen Wesen am meisten der Weisheit teilhaftig ist[37]. Auch der Heilige Hierarch Gregor von Nyssa machte auf die Verbindung der aufrechten Haltung des menschlichen Körpers mit „der königlichen  Würde" und der „Gabe des Wortes" aufmerksam: „Die Gestalt des Menschen ist gerade und richtet sich zum Himmel, und er schaut nach oben"[38].

Viele Väter und kirchliche Schriftsteller gingen von dieser fundamentalen natürlichen Eigenschaft der menschlichen Natur aus, um die Etymologie des griechischen Wortes „anthropos" aus dem Wort „an-aireo" („sich nach oben wenden") herzuleiten[39]. Nach dem Ehrwürdigen Maximus dem Bekenner ist  der menschliche Mund „ein Symbol der Vernunft, entsprechend dem alle, die ihr [also der Vernunft] teilhaftig sind, als vernünftige Wesen (...) mit der obersten und einzigen Vernunft zusammenwachsen - der Ursache jeglicher Vernunft"[40].

Der Heilige Hierarch Irenäus von Lyon, der fast fünf Jahrhunderte zuvor gelebt hatte, hatte ebenfalls gemeint, „mit den Händen des Vaters, also durch den Sohn und den [Heiligen] Geist, wird der Mensch, und nicht ein Teil des Menschen, Gott ähnlich erschaffen (...) der perfekte Mensch ist die Vereinigung und die Verbindung der Seele (...) mit dem Leib, der nach dem Bilde Gottes erschaffen ist"[41]. Unter den späteren Vätern, die über die Einbeziehung des menschlichen Körpers ins Bild Gottes lehrten, kann auf den Heiligen Hierarch Gregor Palamas hingewiesen werden, der lehrte, dass unser Leib „über solche Nähe zu Gott (...) verfügt, dass er sogar fähig war, sich mit IHM in einer Hypostase zu vereinigen"[42].

Der Heilige Hierarch Philaret (Drozdow)[43] zitierte in seinem Werk „Vermerke zum Buch Genesis" die Worte des Heiligen Apostels Paulus über den Leib, der „gleichförmig dem Leib der Herrlichkeit" Christi, des inkarnierten Gottmenschen,  sei (Phil. 3:21)[44]. Als der Ehrwürdige Justin (Popović)[45] von der Präsenz des Bildes Gottes im Körper des gefallenen Menschen sprach, widmete er sich auch der liturgischen Überlieferung, und zwar dem Stichiron des 8. Tons aus der „Ordnung der Bestattung von Laien", in der steht: „Ich weine und heule, wenn ich an den Tod denke und in den Särgen unsere nach dem Bilde Gottes erschaffene Schönheit sehe, ungestalt, unwürdig, unförmig"[46]. Die Väter, die sich solcher Bekenntnisse enthielten, scheuten wahrscheinlich die Extreme der häretischen Schlussfolgerungen, die für die Antropomorphiten, einige Vertreter des ägyptischen Mönchstums (IV-V Jh.) und ihre Nachfolger, kennzeichnend waren, die gelehrt hatten, „falls der Mensch nach dem Bild Gottes erschaffen ist, hat Gott selbst auch das Bild des Menschen".

Über die feinen Unterschiede in der Bedeutung der biblischen Wörter „Fleisch" (sarks) und „Leib" (soma)[47] dachte auch Professor S.W. Troitskij[48] nach. Er betonte, dass der Begriff „Fleisch" eher artspezifisch, substantiell sei, während der Begriff „Leib" einen individuellen Mensch bezeichne, der im Gegensatz zum Tier nicht „nach ihrer Art" (Gen. 1:21), sondern „nach dem Bild Gottes" (Gen. 1:27) erschaffen und ein individuell-persönliches Wesen sei. Für die Menschheit sei „Fleisch" lediglich in der Bildung der von Gott bestimmten Anzahl unsterblicher Persönlichkeiten sinnvoll. Es habe eine dienende und vorübergehende Bedeutung und solle zusammen mit seinen nutritiven und artspezifischen Funktionen zugrunde gehen (1 Kor. 6:13). Aber der „Leib" jedes der durch die Gnade transformierten Menschen wird in der Zukunft zum ewigen „Tempel des Heiligen Geistes" (1 Kor. 6:19), sei also prinzipiell sakral. Das ganz umgekehrte Verhältnis zwischen „Leib" und „Fleisch" liege bei Tieren vor, die zur Erhaltung des Menschen erschaffen seien. „Daher haben Tiere, streng gesagt, keinen Leib, sondern sie sind nur Fleisch"[49].

Im Gegensatz zu allen anderen Lebewesen, die die Erde je bewohnten und bewohnen, ist der Mensch also in der vollen Fülle[J1]  seiner psychosomatischen Natur eben Träger eines besonderen Siegels der Gottheit.

Sprechen wir von der Erschaffung des ersten Adam, scheint es in diesem Kontext wichtig zu sein, die Frage des kirchlichen bzw. des Verständnisses der heiligen Väter von der Abfolge schöpferischer Akte, der wir im biblischen Text begegnen, zu klären. Bei diesem Problem weisen viele auf die Bedeutung des Wortes „adama
" („kultivierte Erde") hin und schließen daraus, dass Gott ein anthropoides Wesen genommen und den Körper dieses Geschöpfes in einen menschlichen Körper umgeschaffen habe, der fähig gewesen sei, die menschliche Seele zu beinhalten, und diesen dann mit dem „Atem des Lebens" erfüllt habe[50].

„Jeder, der die veredelte Sorte eines Obstbaums auf einen Wildling aufgepfropft hat, weiß, dass der Pfröpfling die Kräfte für das Wachstum und die Entwicklung von dem Baum, der ihn empfangen hat,  erhält, indem er sich auf Kosten seiner Wurzel, seines Stammes und seiner Blätter ernährt. Ein Züchter soll dabei die unnützen Zweige des Wildlings allmählich entfernen. Letztendlich werden die Triebe der neuen Sorte die einzigen an diesem Stamm sein - man bekommt also einen Baum der neuen fruchtbaren Sorte. Dennoch wird keiner behaupten, dass die veredelte Sorte als Ergebnis der Pfropfung vom Wildling entstanden sei. Denn es können sogar Bäume verschiedener Arten sein: zum Beispiel kann ein Apfelbaum auf einen Birnenbaum aufgepfropft sein, ein Pfirsichbaum auf einen Aprikosenbaum, und umgekehrt. Möglicherweise fand bei der Entstehung des Menschen etwas sehr Ähnliches statt. (...) Er ist ein edler Trieb des evolutionären Baums des Lebens, der vom Schöpfer selbst aufgepfropft wurde."[51]

E. Galbiati und A. Piazza beziehen sich auf die parallelen Stellen in der Bibel, die Gott das zuschreiben, was eine Folge sekundärer Ursachen ist: „Denn du bildetest meine Nieren. Du wobst mich in meiner Mutter Leib" (Ps. 139:13); „Deine Hände haben mich ganz gebildet und gestaltet um und um, und nun verschlingst du mich! Bedenke doch, dass du mich wie Ton gestaltet hast! Und jetzt willst du mich zum Staub zurückkehren lassen! Hast du mich nicht hingegossen wie Milch und wie Käse mich gerinnen lassen? Mit Haut und Fleisch hast du mich bekleidet und mit Knochen und Sehnen mich durchflochten. Leben und Gnade hast du mir gewährt, und deine Obhut bewahrte meinen Geist" (Hiob 10:8-12); „Der Geist Gottes hat mich gemacht, und der Atem des Allmächtigen belebt mich" (Hiob 33:4)[52].

Als eine durch die Heiligen Väter autorisierte Begründung dieser exegetischen Vorgehensweise wird häufig der Gedanke des Heiligen Hierarchen Gregor von Nazianz zitiert, der sagte, der Schöpfer „erschafft (...) den Menschen (...) indem ER von der bereits erschaffenen Materie den Körper nahm, und von SICH SELBST das Leben hineinbrachte (was im Wort Gottes unter dem Begriff der über die Vernunft verfügenden Seele und des Bildes Gottes bekannt ist)"[53]. Oder, in den Worten des Heiligen Hierarchen Theophan des Einsiedlers[54]: „Gott erschuf den Körper des Menschen aus Staub. Dieser Körper, was war er? Ein Tonpüppchen oder ein lebendiger Körper? - Er war ein lebendiger Körper, war ein Tier in Gestalt eines Menschen mit einer animalischen Seele. Danach hauchte Gott Seinen Geist in ihn - und so wurde aus dem Tier der Mensch"[55].

Manchmal wird auch der Ehrwürdige Seraphim von Sarow[56] zitiert: „Und alle drei Teile unserer Natur wurden aus dem Staub vom Erdboden erschaffen, und Adam war nicht tot erschaffen, sondern als ein agierendes animalisches Geschöpf, ähnlich den anderen auf Erden lebenden beseelten Geschöpfen. Hätte ihm Gott danach nicht den Atem des Lebens, also der Gnade, ins Gesicht gehaucht, wäre er allen anderen Geschöpfen ähnlich geblieben"[57].

Scheinbar teilte auch der Heilige Hierarch Philaret (Drozdow) eine ähnliche Denkweise, der, als er über die Erschaffung des Menschen sprach, betonte: „Er wird nicht durch einen einmaligen Akt erzeugt, sondern durch eine allmähliche Bildung, so ähnlich wie zunächst das Licht erschaffen ward, und danach die Gestirne gebildet wurden "[58]. Allerdings ist unser erstes Zitat nicht ganz eindeutig, und die drei letzteren, wie von J. Maximow[59] überzeugend nachgewiesen, beinhalten, wenn sie im  jeweiligen Gesamtkontext der Bekenntnisse der genannten Heiligen Väter betrachtet werden, nicht den Sinn, den die Befürworter der evolutionären Entwicklung der körperlichen Natur des Menschen darin erkennen wollen.

So kritisierte der Heilige Hierarch Theophan der Einsiedler den zeitgenössischen materialistischen Evolutionismus mehrmals entschlossen und heftig. „Dieser moralische Verfall - ist er nicht das, woraus auch die Theorie der Entstehung des Menschen aus Tieren geboren ist? Wie weit kann man nur gehen! Das ist, weil man vom Herrn immer weiter weg läuft, immer weiter weg..." - so emotional reagierte Bischof Theophan auf den Darwinismus. Er nannte „die letzten Phantasien über die Entstehung des Menschen" als „Wahn eines Verschlafenen"[60].

Der Wyscha[61]-Einsiedler reflektierte in seinem Kommentar zu Gen. 2:7 also eher über den hierarchischen Aufbau der geistlich-seelisch-körperlichen Natur des Menschen und über die logische (nicht die zeitliche) Aufeinanderfolge der schöpferischen Akte. Was die Worte des Ehrwürdigen Seraphim in ihrem Gesamtkontext betrifft, ist leicht zu erkennen, dass er seinem Gesprächspartner einen ganz anderen Gedanken vermitteln wollte, und zwar, dass Adam, ungeachtet seiner Vollständigkeit, ohne die Gemeinschaft des Heiligen Geistes den anderen „wortlosen" Geschöpfen gleich geblieben wäre[62]. Außerdem verliehen der Heilige Hierarch Theophan und der Ehrwürdige Seraphim dem Wort „Tier", das sie in Bezug auf die erstgeschaffenen Menschen verwendeten, sicherlich nicht einen streng biologischen, sondern einen archaischen Sinn, - es bedeutete also „Lebewesen".

Indem sich J. Maximow[63] auf die textologischen Kommentare und die Wörterbücher Brown-Driver-Briggs (Oxford, 1951), Holladay (Leiden, 1989), und Clines (Sheffield, 1993) bezieht[64], verficht er auch das buchstäbliche Verständnis des Wortes „adama" („Boden im eigentlichen Sinne, als kultivierte Erde; Grundstück, Landbesitz, Grund, Ton, Nährboden; Erde als materielle Substanz"). Er hält es für einen Hinweis auf eine unbelebte materielle Substanz, die als Grundlage für ihre direkte übernatürliche Transformation in den Körper des erstgeschaffenen Menschen diente. Zur Bestätigung seiner Sichtweise macht J.Maximow besonders auf das Wort „afar" („Staub, trockene Erde; kleine Grundpartikel; Kies") in der Konstruktion „afar min-ha-adama" (Gen. 2:7) aufmerksam.

Mit der Analyse der zwei biblischen Erzählungen über die Erschaffung der Welt und des Menschen (im 1. und 2. Kapitel des Buchs Genesis) beschäftigt sich auch Priester L.Tsypin[65]. Gemäß der Tradition macht er auf ihre formal „entgegengesetzten Chronologien" aufmerksam, sieht aber im 2. Kapitel des Buches Genesis nicht nur eine anthropozentrische Erzählung (wie es die meisten Theologen tun), sondern betont den Hinweis, dass Adam als erstes von allen erschaffenen Lebewesen auf Erden erschaffen wurde (S. Gen. 2:4-5, 19) - folglich, eben aus nicht-organischer Materie. „Der Boden [des sechsten Tages, laut der anderen Erzählung aus dem 1. Kapitel des Buches Genesis] ist mit diversen Mikroorganismen und organischen Stoffen angereichert. Aber die Logoi Gottes, die Logoi der Natur des Menschen (`Und Gott sprach: Lasset uns Menschen machen...´ - Gen. 1:26) sonderten aus diesem Boden ausschließlich den Staub vom Erdboden aus - also die nicht-organischen Stoffe, aus denen sie auch den Körper des Menschen erschufen. (...) Dieser Gedanke über die Erschaffung des Körpers des Menschen aus nicht-organischen Stoffen kann auch nicht anders ausgedrückt werden, als es in Gen. 2:4-7 geschieht (...) Also widersprechen die Erzählungen des ersten und des zweiten Kapitels des Buches Genesis einander nicht, sondern ergänzen sich. Und sie sind - auch wenn einige es so sehen möchten - keine einfachen und nicht-übereinstimmenden Zitierungen unterschiedlicher Quellen", fasst Vater L. Tsypin zusammen[66].

Zugunsten des traditionellen Verständnisses von Gen. 2:7 können die folgenden bekannten Worte des Heiligen Hierarchen Gregor von Nyssa zitiert werden: „Da der aus Seele und Körper bestehende Mensch eins ist, müssen wir eine gemeinsame Grundlage seiner Zusammensetzung vermuten, so, dass diese sich weder als älter noch als jünger als er selbst erweist, [wie es der Fall wäre], wenn das Körperliche in ihm primär und das Restliche gefolgt wäre. Aber wir behaupten, dass entsprechend dem, was oben niederschrieben ist, durch die vorhersehende Kraft Gottes das volle menschliche Ganze zum Sein gebracht wurde, was auch die Prophezeihung bezeugt, die besagt: Gott weiß alles, noch bevor es geschieht (Dan. 13:42) (hervorgehoben durch uns. - Priester O.M.). Bei der Erschaffung jedes Teiles war es nicht so, dass ein Teil vor dem anderen entstand - weder die Seele vor dem Körper, noch umgekehrt - damit der Mensch durch keine zeitliche Differenz zertrennt war und so nicht in Unstimmigkeit mit sich selbst geriet. (...) Denn falls eines zuvor existiert hätte und das andere danach entstanden wäre, hätte sich eine gewisse Unvollkommenheit der Kraft des Schöpfers erwiesen, die zur schlagartigen Erschaffung von Allem nicht ausreichend gewesen wäre, sondern den Akt zerteilt und sich mit jeder der Hälften getrennt befasst hätte"[67].

Der Ehrwürdige Johannes von Damaskus behauptete, dass „der Körper und die Seele gleichzeitig erschaffen wurden"
[68]. Die vorrevolutionäre russische exegetische Tradition hielt sich ebenfalls an die Sichtweise, laut der die schöpferischen Akte in Gen. 2:7 nicht chronologisch, sondern spekulativ bzw. logisch einzuordnen wären[69]. Diese Einstellung hat tiefe dogmatische Grundlagen. Nach der Theologie der Heiligen Väter und der kirchlichen Überlieferung liegt die Sache so, dass der menschliche Körper hinsichtlich seiner Beziehung zur Seele nicht in Form einer selbstständigen Natur präexistieren kann, da sowohl die Seele als auch der Körper sich nur im Verband der einen persönlichen menschlichen Hypostase verwirklichen bzw. das reale Sein erlangen[70].

Dabei ist die orthodoxe Anthropologie in ihrer Fülle bekanntlich nur in der Christologie zu erkennen und zu entfalten. Indem der Ehrwürdige Johannes von Damaskus über das Mysterium der Fleischwerdung des Vorewigen Logos sprach, schrieb er: „Das Göttliche Wort hat sich nicht mit einem Leib vereinigt, der zuvor selbständig existierte, sondern ES, das im Schoß der Heiligen Jungfrau Wohnung nahm, hat in seiner Hypostase aus dem heiligen Blut der Immerwährenden Jungfrau den Leib auf unbeschreibliche Weise angenommen, (...) indem ES sich [daraus] die Elemente der des menschlichen Teiges  genommen hat. Für den Leib ist das Wort selbst die Hypostase geworden. Also ist der Leib gleichzeitig der des Gott-Logos und auch der beseelte Leib, der sowohl mit Vernunft als auch mit Verstand begabt ist. Eben daher sprechen wir nicht von einem Menschen, der vergöttlicht wäre, sondern von Gott, der sich vermenschlicht hat"[71]. Folglich müssten im erstgeschaffenen Adam als im Urbild („Typos") Christi des Messias (Röm. 5:12-21; 1 Kor. 15:21-22, 45-49)[72] zugleich sowohl der Körper als auch die Seele erschaffen worden sein. Die Gedanken der Heiligen Väter führen uns auch in die tiefere „inverse Typologie" ein: Adam („Typos") wird nach dem Bild Christi, des Heilands (Archetypos), erschaffen, dem es obliegt, Fleisch anzunehmen[73].

Das heißt also, dass wir bei der mechanischen Trennung der zwei schöpferischen Akte zu „apologetischen Zwecken" demselben Fundamentalismus und der (im negativen Sinne dieses Wortes) scholastischen Denkweise begegnen. Die ersprießliche Lösung des Problems der Zuordnung scheint nicht nur in der Berücksichtigung der anthropologischen und der archäologischen Realien zu liegen (was für sich selbst auch wichtig ist), sondern auch in der ganzheitlichen Betrachtung des theologisch-philosophischen Kontextes, also der dogmatischen Lehre von der Schöpfung, der Menschwerdung Gottes, der Erlösung und des Sündenfalls und seiner Konsequenzen (einschließlich jener für unsere Wahrnehmung „des Gewebes der Raum-Zeit", allgemein für die Gnoseologie im Zusammenhang mit der Theologie der „Kleider aus Fell"[74] und dem „Komplementaritätsprinzip"[75]), sowie der inneren Einheit des Alten und des Neuen Testaments.

Falls wir aber, ungeachtet der zahlreichen Vorbehalte, zur Erklärung der Erschaffung des menschlichen Körpers doch das [oben erwähnte, s. auch Anm. 50-52] theologische Konzept („adama" bedeutet „kultivierte Erde") sowie eine der zahlreichen heute existierenden makroevolutionären Theorien annehmen, haben wir es unvermeidlich mit der gewaltigen, durch keine Naturgesetze erklärbaren, qualitativ wunderbaren Transformation der somatischen Organisation eines hypothetischen anthropoiden Wesens in die potentiell perfekte, unverwesliche Natur Adams zu tun. Bei einer aufmerksamen Betrachtung werden die Aspekte der „Hieroglyphizität", der „Unbegreiflichkeit" und des „Mysteriösen", nur auswuchern und damit das bekannte Prinzip von Ockhams Rasiermesser verletzen. Das würde sicherlich den  zwischen Theologie und Wissenschaft geführten Dialog erschweren, anstatt ihn zu erleichtern.

Daher scheint es für einen gläubigen Verstand viel angebrachter, die von Gott offenbarte Wahrheit über die gleichzeitige Erschaffung von Seele und Körper des ersten Menschen aus dem „Staub vom Erdboden" nach dem Bild des Vorewigen Gottes und IHM ähnlich zu akzeptieren. In diesem Falle kann die Besprechung der teleologischen Entwicklung im Bezug auf die anderen Lebewesen, einschließlich der menschenähnlichen Hominiden, getrost beiseite gelassen werden. Diese Frage geht aber über den Rahmen unseres Vortrages hinaus
[76].


[1] In Gen 1:26 wird das, wonach der Mensch geformt wird, durch zwei verschiedene Nomen ausgedrückt - <bezalmenu> und <bidmutenu>. Diese Konstruktion ist noch in der Vulgata „ad imaginem et similitudinem nostrum" sowie in der unrevidierten Elberfelder-Übersetzung zu findet „in unserem Bilde, nach unserem Gleichnis", jedoch in keiner späteren deutschen Übersetzung des Textes. So heißt es in der Einheitsübersetzung „Lasst uns Menschen machen als unser Abbild, uns ähnlich." Jedoch haben die meisten Heiligen Väter, die diese Bibelstelle ausgelegt haben, einen Unterschied zwischen den beiden Begriffen gesehen. So urteilt z.B. der Hl. Basilius der Große: In Vers 26 möchte Gott den Menschen nach seinem Bild und seinem Gleichnis erschaffen, tut es nach Vers 27 jedoch nur nach seinem Bild. So ist das Bild Gottes im Menschen das, was der Mensch erhalten hat, das Gleichnis Gottes ist jedoch das, was er während seines Lebens erlangen kann. Weiter Informationen sind in http://bogoslov.ru/de/text/469701.html  zu finden. (Anm.d.Ü.)

[2] Неделько В.И., Хунджуа А.Г. Основы современного естествознания: православный взгляд. - М.: Паломник, 2008. - С. 260 (Nedelko W.I., Hundzhua A.G. Die Grundlagen der modernen Naturkunde: die orthodoxe Sichtweise.

[3] Francis S. Collins ist ein US-amerikanischer Genetiker, der zahlreiche wichtige Beiträge zur Erforschung von Gendefekten leistete, die die Erbkrankheiten Mukoviszidose, Chorea Huntington und Neurofibromatose auslösen. Seit 1993 leitete er das Humangenomprojekt. Seit 2009 ist er Direktor der National Institutes of Health. Als ehemaliger Atheist, der zum Christentum konvertierte, gilt er als einer der prominentesten Verfechter des Konzepts einer theistischen Evolution. Seiner Ansicht nach sind christlicher Glaube und Evolutionstheorie vollständig miteinander vereinbar. (Anm.d.Ü.)

[4] Коллинз Ф. Доказательство Бога: Аргументы ученого. - М.: Альпина нон-фикшн, 2008. - С. 160 (F. Collins. Der Beweis für Gott: Argumente eines Wissenschaftlers. Moskau, Alpina non-fiction, 2008 (Originalname: The Language of God: A Scientist Presents Evidence for Belief)).

[5] Hier und im Folgenden, wenn nicht anders angegeben, folgt der Text der Revidierten Elberfelder-Ausgabe von http://www.bibleserver.com/index.php. (Anm.d.Ü.)

[6] Гальбиати Э., Пьяцца А. Трудные страницы Библии: Ветхий Завет. - Милан-Москва: Христианская Россия, 1992. - С. 115-116 (Galbiati E., Piazza A. Die schwierigen Seiten in der Bibel: Das Alte Testament. - Mailand-Moskau: Christianskaja Rossija, 1992. - S. 115-116).

[7] Es ist bemerkenswert, dass die Hauptideen dieser päpstlichen Enzyklika, so wie auch die Meinungsäußerungen der von uns aufgelisteten Autoren, in den Werken des bekannten katholischen Theologen, Priesters und Anthropologen Pierre Teilhard de Chardin (1885-1955) vorweggenommen und formuliert wurden, der über viele Jahre hinweg diversen Kirchenstrafen seitens des Heiligen Stuhls wegen „Freigeisterei" ausgesetzt war. So schrieb Pierre de Chardin 1942: „Laut der gegenwärtigen Anthropologie stellt die Menschheit schon keine statische Menge der zusammengestellten Elemente mehr dar, sondern bildet einen Über-Organismus, der dem Gesetz des globalen Wachstums untersteht. So ähnlich wie alles Lebendige, war der Mensch nicht nur als Individuum entstanden, sondern auch als Art. Also ist es angemessen, neben seinem individuellen Zyklus auch seinen artspezifischen Zyklus zu akzeptieren und zu erforschen (...). Wegen einer ganzen Reihe von Ursachen (sowohl der wissenschaftlichen als auch der dogmatischen) scheint es heute nicht möglich zu sein, die Ursünde als ein einfaches Glied der Kette der historischen Fakten anzusehen. (...) Um gleichzeitig sowohl den empirischen Daten als auch den Anforderungen des Glaubens zu entsprechen, darf der Sündenfall weder an einem bestimmten Zeitpunkt noch an einem bestimmten Ort lokalisiert sein. Er ist in unserer Vergangenheit nicht als ein „Einzelereignis" eingetragen. (...) Offensichtlich genug ist es, dass der Ursprung des Bösen in einem Universum mit evolutionierender Struktur keine Schwierigkeiten mehr bereitet (und auch keiner solchen Erklärungen bedarf), wie es für ein statisches, ursprünglich perfektes Universum der Fall wäre. Ab jetzt braucht die Vernunft nicht mehr Verdachtsmomente aufzubauen und nach einem `Schuldigen´ zu suchen. Ist es nicht so, dass physikalische und moralische Störungen in einem sich organisierenden System die ganze Zeit lang spontan entstehen, solange dieses System noch nicht vollständig organisiert ist? `Necessarium est ut scandala eveniant´ [„Denn es ist notwendig, dass Verführungen kommen", Mt. 18:7; Anm. d. Ü.]. Bei dieser Sichtweise vermischt sich die Ursünde in ihrem kosmischen Wirkprinzip (bzw., im entgegen gesetzten Fall, in seiner historischen Aktualisierung bei den ersten Menschen) mit dem Mechanismus der Erschaffung selbst, wo sie die Wirkung der negativen Kräfte der `Gegen-Evolution´ darstellt. Ich würde es nicht riskieren, vorherzusagen, wie diese Perspektiven eines Tages in unserer heutigen Vorstellung über die Erbsünde widerhallen werden (indem sie diese mit Sinn auffüllen und erweitern)". (Тейяр де Шарден П. Христос эволюции, или логическое развитие понятия искупления / Феномен человека: Сб. очерков и эссе. - М.: АСТ, 2002. - С. 499, 505-509 (Pierre Teilhard de Chardin. Christus der Evolution, oder die logische Entwicklung des Begriffs der Erlösung / Das Phänomen des Menschen: Sammlung von Essays . - Moskau: AST, 2002. - S. 499, 505-509).

[8] Барбур И. Религия и наука: история и современность. - М.: Библейско-Богословский институт св. ап. Андрея, 2001 - С. 311-314 (Ian G. Barbour. Religion und Wissenschaft: Geschichte und Gegenwart (Originaltitel: Religion and Science: Historical and Contemporary Issues.-Moskau: St. Ap. Andreas Institut für Bibelwissenschaft und Theologie, 2001 - S. 311-314).

Ian Graeme Barbour ist ausgebildeter Physiker und Experte für die Verhältnisse zwischen Wissenschaft und Religion.

[9] Пикок А. Богословие в век науки: Модели бытия и становления в богословии и науке / Пер. с англ. (Серия «Богословие и наука»). - М.: Библейско-богословский институт св. апостола Андрея, 2004. - С. 254-256, 264-265, 289 (Peacocke A. Theologie im Zeitalter der Wissenschaften: Die Modelle des Seins und Werdens in der Theologie und der Wissenschaft / Übers. aus dem Englischen (Serie „Theologie und Wissenschaft"). - Moskau: St. Ap. Andreas Institut für Bibelwissenschaft und Theologie, 2004. - S. 254-256, 264-265, 289).
Arthur Robert Peacocke (1924 - 2006) war ein englischer Biochemiker und Theologe. Er unterrichtete Chemie an der Universität von Birmingham und Oxford; in dieser Zeit leistete er bedeutende Beiträge zur Erforschung der Molekularstruktur der DNA. In seiner Jugend Agnostiker, begann er sich für christliche Theologie zu interessieren, absolvierte parallel zu seiner Arbeit als Naturwissenschaftler ein Studium der anglikanischen Theologie und wurde 1971 ordiniert und nahm eine Lehrtätigkeit als Theologe im Clare College in Cambridge auf. Danach widmete er sich der Aussöhnung der christlichen Lehre mit den Naturwissenschaften. Peacocke ist bekannt durch seine ausgefeilte wissenschaftliche Argumentation und die Sichtweise, dass die (ganz im Sinne Darwins verstandene) biologische Evolution Teil eines göttlichen Schöpfungsplans ist. Allein zu theologischen und philosophischen Themen verfasste er 63 Artikel und neun Bücher. Mit seinen Bemühungen um den Dialog zwischen Theologie und Naturwissenschaften erwarb sich Peacocke große Anerkennung und wurde mehrfach ausgezeichnet.

[10] John Charlton Polkinghorne ist ein englischer theoretischer Teilchenphysiker und Theologe, seit 1968 Professor für Mathematische Physik in Cambridge. Als Physiker arbeitete Polkinghorne vor allem an theoretischen Modellen für Hochenergie-Streuprozesse, die ab Ende der 1960er Jahre und in den 1970er Jahren zur Bestätigung des Quark-Modells und der Quantenchromodynamik führten. Nach der Niederlegung seiner Professur 1979 und einer theologischen Ausbildung wurde er 1982 zum Priester der Anglikanischen Kirche ordiniert. Seit 1996 ist er Priester an der Kathedrale von Canterbury. 1989 wurde er Mitglied der Dogmenkommission und gleichzeitig Vorsitzender eines Komitees zur Embryonenforschung und ab 2000 Mitglied der Humangenetik-Kommission der britischen Regierung. Außerdem ist er Mitglied der Ethikkommission der British Medical Associaton. Er wurde durch zahlreiche Publikationen zum Dialog von Naturwissenschaften und Theologie bekannt und ausgezeichnet. In der mathematischen Schönheit der Quantenmechanik und Relativitätstheorie sowie im anthropischen Prinzip sieht er das Wirken einer höheren, ordnenden Macht. (Anm.d.Ü.)

[11] Полкинхорн Дж. Вера глазами физика: богословские заметки мыслителя «снизу-вверх». - М.: Библейско-богословский институт св. апостола Андрея, 2001. - С. 23 (Polkinghorne J. Der Glaube in den Augen eines Physikers: theologische Anmerkungen eines Denkers „von unten nach oben". Moskau: St. Ap. Andreas Institut für Bibelwissenschaft und Theologie, 2001).

[12] Die von Gott offenbarte Wahrheit über die ursprüngliche Unsterblichkeit des Urmenschen wurde in der 109. Regel des Konzils von Karthago formuliert und dogmatisch befestigt: „Jeder, der sagt, Adam, der erste Mensch, sei sterblich gebildet worden, so dass er dem Leibe nach sterben musste, ob er nun sündigte oder nicht, d.h., dass er aus dem Leben scheiden musste, nicht zur Strafe, sondern aus Naturnotwendigkeit, der sei ausgeschlossen". (Деяния девяти поместных соборов, издаваемые при Казанской Духовной Академии в русском переводе. - Издание второе. - Казань, 1901. - С. 122 (Die Akten der neun Lokalkonzile, veröffentlicht von der Geistlichen Akademie zu Kazan in russischer Übersetzung. - Zweite Auflage. - Kazan, 1901. - S. 122).

[13] Иванов Н., прот. И сказал Бог... Опыт истолкования книги Бытия. - Клин: Фонд «Христианская жизнь», 1999. - С. 131 (Iwanow N., Erzpr, Und Gott sprach... Eine Erfahrung der Auslegung des Buchs Genesis. - Klin: „Christianskaja Zhizn"-Stiftung, 1999. - S. 131) .

[14] „An der Wahl und der Erhebung der Themen [der historischen Wissenschaft und der Anthropologie] lässt sich erkennen, dass die Aufmerksamkeit sich auf unpersönliche und artspezifische Aspekte der Geschichte richtet. In der modernen Geschichtsphilosophie wird das Problem der Persönlichkeit, des Betrachtens eines Menschen als Persönlichkeit, am allerwenigsten angesprochen. Seltsamerweise ist die Philosophie der Geschichte häufig ohne philosophische Anthropologie, ohne Menschen aufgebaut - ähnlich den Versuchen, die Psychologie ohne Seele, ohne Subjekt zu konstruieren. Eben deshalb bleibt die Grenze, welche die Geschichte von der Natur abtrennt, unscharf, da gerade der Begriff der Persönlichkeit für den Begriff der Geschichte eben prinzipiell und prägend ist", schrieb dazu Vater Georgij Florowskij (Флоровский Г., прот. Эволюция и эпигенез (к проблематике истории) / Вера и культура: избранные труды по богословию и философии. - СПб.: Русский Христианский Гуманитарный институт, 2002. - С. 433. См. также: Мосс В. Православный подход к науке / Православная жизнь. (Приложение к «Православной Руси»). - Джорданвилль, 1995, №8 (август). - С. 17-25 (Florowskij G,, Erzpriester. Evolution und Epigenese (zur Problematik der Geschichte) / Glaube und Kultur: Ausgewählte Sammlungen zur Theologie und Philosophie. - St.Petersburg: Russisches Christliches Humanitäres Institut, 2002. - S. 433. S. auch: Moss W. Orthodoxe Einstellung zur Wissenschaft / Orthodoxes Leben (Beiheft zur „Orthodoxes Russland"). - Jordanville, 1995,  №8 (August). - S. 17-25).

[15] Платон (Игумнов), архим. Православное Нравственное Богословие. - М.: Свято-Троицкая Сергиева Лавра, 1994. - С.162-163 (Platon (Igumnow), Archimandrit. Orthodoxe Moraltheologie. - Moskau: St. Sergius-Dreiheitslavra, 1994. - S. 162-163).

[16] Лосский В.Н. Очерк Мистического Богословия Восточной Церкви. Догматическое Богословие. - М., 1991. - С. 91-96 (Losski W.N. Abriss der mystischen Theologie der Ostkirche. Dogmatische Theologie. - Moskau, 1991. - S. 91-96). S. auch: Яннарас Х. Вера Церкви: введение в Православное богословие. - М., 1992. - С. 64-66 (Yannaras Ch. Der Glaube der Kirche: Einführung in die orthodoxe Theologie. - Moskau, 1992. - S. 64-66).

[17] Киприан (Керн), архим. Антропология святителя Григория Паламы. - М.: Паломник, 1996. - С. 362 (Kiprian (Kern), Archimandrit. Die Anthropologie des Hl. Hierarchen Gregor Palamas. - Moskau, Palomnik, 1996. - S. 362).

[18] Dieser Meinung waren der Sl. Theodorit von Kira, der Ehrw. Anastasios Sinaites, der Ehrw. Johannes von Damaskus, sowie Bischof Basilius von Seleucia, ein kirchlicher Lehrer des 5. Jh.
S. Киприан (Керн), архим. Антропология святителя Григория Паламы. - М.: Паломник, 1996. - С. 354-355 (Kiprian (Kern), Archimandrit. Die Anthropologie des Hl. Hierarchen Gregor Palamas. - Moskau, Palomnik, 1996. - С. 354-355).

[19] Максим Исповедник, преподобный. Творения. Кн. II. Вопросоответы к Фалласию. Часть I. Вопросы I-LV / Пер. с др.-греч. и комм. С.Л. Епифановича и А.И. Сидорова. - М.: Мартис, 1993. - С. 30 (Ehrwürdiger Maximus der Bekenner. Die Werke. Buch 2. Fragen und Antworten an Thalassius. Teil 1. Fragen 1 - 55 / Aus dem altgriechischen übersetzt und kommentiert von S.L.Epifanowitsch und A.I. Sidorow. - Moskau: Martis, 1993. - S. 30). Über den Menschen als Bild von Gott-Logos. in den Werken des Hl. Hierarchen Basilius des Großen: Василий Великий, святитель. Беседы на Шестоднев. - Свято-Троицкая Сергиева Лавра, 1902. - С. 148 (Basilius der Große, Hl. Hierarch. Homilien zum Hexaemeron. - St.Sergius-Dreifaltigkeits-Lavra, 1992. - S. 148).

[20] Епифанович С.Л. Преподобный Максим Исповедник и византийское богословие. - М.: Мартис, 2003. - С. 70-72 (Epifanowitsch S.L. Ehrwürdiger Maximus der Bekenner und byzantinische Theologie. - Moskau, Martis, 2003. - S. 70-72).

[21] Максим Исповедник, преподобный. Творения. Кн. II. Вопросоответы к Фалласию. Часть I. Вопросы I-LV / Пер. с др.-греч. и комм. С.Л. Епифановича и А.И. Сидорова. - М.: Мартис, 1993. - С. 94 (Ehrwürdiger Maximus der Bekenner. Die Werke. Buch 2. Fragen und Antworten an Thalassius. Teil 1. Fragen 1 - 55 / Übers. aus dem Altgriechischen und kommentiert von S.L.Epifanowitsch und A.I. Sidorow. - Moskau: Martis, 1993. - S. 94).
Im Lichte dieser Vorgehensweise der Heiligen Väter, in der Terminologie des Ehrwürdigen Maximus des Bekenners, kann selbst der Inhalt der Wissenschaft als Erkenntnis der begrifflichen Logoi definiert werden. S. S.: Геронимус А., прот. Современное знание в свете антропологии преп. Максима Исповедника / Учение Церкви о человеке. Богословская конференция Русской Православной Церкви. Москва, 5-8 ноября 2001 года. Материалы. - М.: Синодальная Богословская комиссия, 2002. - С. 101-102 (Geronimus A., Erzpriester. Das moderne Wissen im Lichte der Anthropologie des Ehrw. Maximus dem Bekenner / Die Menschenlehre der Kirche. Die theologische Konferenz der Russischen Orthodoxen Kirche. Moskau, 5-8 November 2001. Materialien. - Moskau, Synodaler Theologischer Ausschuss, 2002. - S. 101-102) ; Морозова Е.Г. Введение в естествознание. - М.: Паломник, 2001. - С. 14-16 (Morosowa J.G. Einführung in die Naturkunde. - Moskau.: Palomnik, 2001. - S. 14-16)..

[22] Григорий Нисский, святитель. Об устроении человека (Главы 8, 9,16). - СПб.: АХIОМА, 1995. - С. 22-27, 53 (Gregor von Nyssa, Heiliger Hierarch. De opificio hominis  (Über die Erschaffung des Menschen) (Kapitel 8, 9, 16). - St.Petersburg: АХIОМА, 1995. - S. 22-27, 53).

Solche Auffassung des Phänomens des Menschen - der als „wortfähiges" Wesen das Bild Gottes ist - ist nicht nur christlich und patristisch, sondern auch auf die Lehre des Philos von Alexandria zurückzuführen, der in seinem Traktat „De opificio mundi" („Über die Schöpfung der Welt") schrieb: „Von dem Bild wird aber im Bezug auf den die Seelen führenden Verstand gesprochen. (...) Denn über diesen Logos, über den der größte Führende in der ganzen Welt verfügt, verfügt offensichtlich auch der menschliche Verstand im Menschen. Denn er selbst, auch wenn er unsichtbar bleibt, sieht alles, und wenn auch sein Wesen unbegreiflich ist, begreift er die Wesen der anderen". S.:  Филон Александрийский. О сотворении мира / Толкования Ветхого Завета. - М.: Греко-латинский кабинет Ю. А. Шичалина, 2000. - С. 66 (Philo von Alexandria. De opificio mundi / Auslegungen des Alten Testamentes, - Moskau,  J. A. Schitschalin Grieschisch-Lateinisches Arbeitszimmer, 2000. - S. 66).

Dass der Mensch, dieses wortbegabte Lebewesen, über den Verstand und die Kenntnisse verfügt, so wie es sogar von denen bezeugt wird, die unsere Lehre nicht annehmen", schrieb der Hl. Hierarch Gregor von Nyssa. S.: Григорий Нисский, святитель. О душе и воскресении / Творения. Часть IV. - М., 1862. - С. 234 (Gregor von Nyssa, Heiliger Hierarch. Die Seele und die Auferstehung / Die Werke. Teil 4. - Moskau, 1862. S. 234). Unter den Heiligen Vätern und kirchlichen Schriftstellern s. auch: Hl. Hierarch Clement von Rom, Hl. Hierarch Clement von Alexandria, Origenes, Hl. Methodius von Olympus, Hl. Hierarch Athanasios der Große, Hl. Hierarch Kyrill von Jerusalem, Hl. Hierarch Basilius der Große, Hl. Hierarch Gregor von Nazianz, Hl. Makarios von Ägypten, Hl. Hierarch Kyrill von Alexandria, Ehrw. Nilus von Sinai, Bischof Basilius von Seleucia, Ehrw. Johannes von Damaskus nach: Киприан (Керн), архим. Антропология святителя Григория Паламы. - М.: Паломник, 1996. - С. 197-198,247, 249,324-325, 330-336, 342, 354 (Kiprian (Kern), Archimandrit. Die Anthropologie des Hl. Hierarchen Gregor Palamas. - Moskau, Palomnik, 1996. - S. 338).

[23] Киприан (Керн), архим. Антропология святителя Григория Паламы. - М.: Паломник, 1996. - С. 338 (Kiprian (Kern), Archimandrit. Die Anthropologie des Hl. Hierarchen Gregor Palamas. - Moskau, Palomnik, 1996. - S. 338).

[24] Платон (Игумнов), архим. Нравственность /О вере и нравственности по учению Православной Церкви. - М.: Издание Московской Патриархии, 1991. - С. 325. (Platon (Igumnow), Archimandrit. Die Moral / Über den Glauben und die Moral nach der Lehre der Orthodoxen Kirche. - Moskau, Auflage der Moskauer Patriarchie, 1991. - S. 325).

[25] Иоанн Дамаскин. Точное изложение православной веры. - М.: Лодья, 1998. - С. 151-152 (Johannes von Damaskus. Genaue Darlegung des orthodoxen Glaubens. - Moskau, Lodja, 1998. - S. 151-152); Григорий Нисский, святитель. Об устроении человека (Главы 2,3,4,5). - СПб.: АХIОМА, 1995. - С. 13-17 (Gregor von Nyssa, Heiliger Hierarch. De opificio hominis  (Über die Erschaffung des Menschen) (Kapitel 2, 3, 4, 5). - St.Petersburg: АХIОМА, 1995. - S. 13-17). Auch: Hl. Hierarch Kyrill von Jerusalem, Hl. Hierarch Kyrill von Alexandria, Hl. Hierarch Johannes Chrysostomos, Ehrw. Ephräm der Syrer, Bischof, Basilius von Seleucia, Ehrw. Makarios von Ägypten. ,  преп. Макарий Египетский. S.: Киприан (Керн), архим. Антропология святителя Григория Паламы. - М.: Паломник, 1996. - С. 354 (Kiprian (Kern), Archimandrit. Die Anthropologie des Hl. Hierarchen Gregor Palamas. - Moskau, Palomnik, 1996. - S. 354). S. auch Грилихес Л., прот. Шестоднев в контексте Священного Писания // Альфа и Омега. - М., 2005, №2(43). - С. 24 (Griliches L., Erzpriester. Hexaemeron im Kontext der Heiligen Schrift // Alpha und Omega. - Moskau, 2005, №2 (43). - S. 24).

[26] Иоанн Дамаскин. Точное изложение православной веры. - М.: Лодья, 1998. - С. 151-152 (Johannes von Damaskus. Genaue Darlegung des orthodoxen Glaubens. - Moskau, Lodja, 1998. - S. 151-152); Hl. Hierarch Johannes Chrysostomos (Homilien zum Buche Genesis IX, 3) parallelisiert hier Gen. 1:26 и Mt. 5:45 direkt als Begründung der moralischen Auffassung der Gottesähnlichkeit. S.: Иоанн Златоуст, святитель. Беседы на книгу Бытия // Полное собрание творений в русском переводе. Т. IV. Кн. I. - СПб.: СПбДА, 1898. - С. 69 (Johannes Chrysostomos, Hl. Hierarch. Homilien zum Buche Genesis // Die gesamte Sammlung der Werke in russischer Übersetzung. Band 4. Buch 1. - St.Petersburg, 1898. - S. 69).

Dieser Aspekt der Manifestation des Bildes Gottes und dessen Ähnlichkeit im Menschen war außer dem Hl. Hierarchen Johannes Chrysostomos, auch von Hl. Diadochus, Hl. Isaak dem Syrer, Ehrw. Nilus von Sinai beachtet. S.: Киприан (Керн), архим. Антропология святителя Григория Паламы. - М.: Паломник, 1996. - С. 354 (Kiprian (Kern), Archimandrit. Die Anthropologie des Hl. Hierarchen Gregor Palamas. - Moskau, Palomnik, 1996. - S. 354).

[27] Платон (Игумнов), архим. Православное Нравственное Богословие. - М.: Свято-Троицкая Сергиева Лавра, 1994. - С. 64 (Platon (Igumnow), Archimandrit. Orthodoxe Moraltheologie. - Moskau, St.Sergius-Dreifaltigkeits-Lavra 1994. - S. 64).

[28] Платон (Игумнов), архим. Нравственность / О вере и нравственности по учению Православной Церкви. - М.: Издание Московской Патриархии, 1991. - С. 326-332 (Platon (Igumnow), Archimandrit. Orthodoxe Moraltheologie. - Moskau,  St. Sergius-Dreifaltigkeits-Lavra, 1994. - S. 326-332).

[29] Darauf wiesen hin: der Hl. Hierarch Gregor von Nyssa, der Hl. Hierarch Kyrill von Alexandria, der Sl. Theororit von Kira, Bischof Basilius von Seleucia, der Ehrw. Anastasios Sinaites, der Ehrw. Johannes von Damaskus, der Hl. Hierarch Photius, Patriarch von Konstantinopel. S. Киприан (Керн), архим. Антропология святителя Григория Паламы. - М.: Паломник, 1996. - С. 355 (Kiprian (Kern), Archimandrit. Die Anthropologie des Hl. Hierarchen Gregor Palamas. - Moskau, Palomnik, 1996. - S. 355).

[30] Григорий Нисский, святитель. Об устроении человека (Глава 11). - СПб.: АХIОМА, 1995. - С. 30-31 (Gregor von Nyssa, Heiliger Hierarch. De opificio hominis  (Über die Erschaffung des Menschen) (Kapitel 11). - St.Petersburg: АХIОМА, 1995. - S. 30-31).

[31] S. 2.Mose 3,14. (Anm.d.Ü.)

[32] Григорий Нисский, святитель. Об устроении человека (Глава 11). - СПб.: АХIОМА, 1995. - С. 55-56 (Gregor von Nyssa, Heiliger Hierarch. De opificio hominis  (Über die Erschaffung des Menschen) (Kapitel 11). - St.Petersburg: АХIОМА, 1995. - S. 55-56).

[33] S. http://www.orthpedia.de/index.php/Wladimir_Losskij. (Anm.d.Ü.). Quelle: s. Лосский В.Н. Очерк Мистического Богословия Восточной Церкви. Догматическое Богословие. - М., 1991. - С. 92 (Losskij W.N. Essay über die Mystische Theologie der Ostkirche. Dogmatische Theologie. - Moskau, 1991. - S. 92).

Über die Verwirklichung dieses Aspektes des Bild Gottes im Menschen durch die Eucharistie und die Zugehörigkeit zur katholischen Kirche als zum Körper Christi s. ausführlicher im Werk von Ioannis D. Zizioulas. Зизиулас И. Д. Евхаристия и кафоличность (глава из книги «Бытие как общение» (Нью-Йорк, 1985) / Пер. с англ. С. Киселева // Духовный мир. - Сергиев Посад: МДАиС, 1996, №2. - С.98-111 (Zizioulas I.D. Die Eucharistie und die Katholizität (ein Kapitel aus dem Buch „Being as Communion" (New York, 1985) / Übers. aus dem Englischen: S. Kisseljow //. Die geistliche Welt. Sergijew Possad: Moskauer Geistliche Akademie und Seminar, 1996, №2. - S.98-111).

[34] „Die Heilige Kirche ist <...> das Bild Gottes, denn Sie, ebenso wie Gott, verwirklicht die Einigung unter den Gläubigen; auch wenn sie sich in ihren Eigenschaften, in Geburtsort und Lebensart unterscheiden, gewinnen sie in der Kirche die Einigkeit durch den Glauben". S.: Максим Исповедник, преподобный. Мистагогия / Творения. Кн. I. Аскетические и богословские трактаты. Пер. с др.-греч. и комм. А. И. Сидорова. - М.: Мартис, 1993. - С. 158 (Maximus der Bekenner, Ehrwürdiger. Mystagogie / Die Werke. Buch 1. Asketische und theologische Traktaten. Aus dem Altgriechischen übersetzt und kommentiert von A.I. Sidorow. - Moskau: Martis, 1993. - S. 158).                                                                             

[35] Булгаков С., прот. Утешитель, цит. по: Игумнов П. Богословские воззрения прот. Сергия Булгакова: сочинение на соискание ученой степени кандидата богословия. - Загорск: МДА, 1979. - С. 42 (Bulgakow S., Erzpriester. Der Tröster, zit. nach Igumnow P. Die theologischen Anschauungen Erzpriesters Sergius Bulgakow, Aufsatz zur Erlangung der Doktorwürde in Theologie. - Zagorsk: Moskauer Geistliche Akademie, 1979. - S. 42).

[36] Яннарас Х. Вера Церкви: введение в Православное богословие. - М., 1992. - С. 112 (Yannaras Ch. Der Glaube der Kirche: Einführung in die orthodoxe Theologie. - Moskau, 1992. - S. 64-66).

[37] Блаж. Августин. О различных вопросах, 51.2. Цит. по: Библейские комментарии отцов Церкви и других авторов I-VIII веков. Ветхий Завет. Том I: Книга Бытия 1-11 / Пер. с англ., греч., лат., сир. / Под ред. Э. Лаута и М. Конти / Русское издание под ред. К. К. Гаврилкина. - Тверь: Герменевтика, 2004. - С. 55 (Der Sel. Augustinus. Zu diversen Fragen, 51:2. Zit. nach: Biblische Kommentare der Kirchenväter und anderer Autoren der 1. - 7. Jh. Das Alte Testament. Band 1: Genesis 1-11 / Übers. aus dem Engl., Griech., Lat., Syr. / herausgegeben von A. Louth und M. Conti. Russische Auflage herausgegeben von K.K. Gawrilkin. - Twer: Germenewtika, 2004. - S. 55).

Der Ehrw. Johannes Cassianus und der Hl. Ambrosius von Mailand lehnten aber solche Meinungen ab (ibid., S. 41-42), da sie „das Bild und die Ähnlichkeit" anscheinend in einem „engeren", geistlichen Sinne verstanden. Folglich ist der „Widerspruch" zwischen den Vätern in diesem Punkt nur vermeintlich.

[38] Григорий Нисский, святитель. Об устроении человека (Глава 8). - СПб.: АХIОМА, 1995. - С. 21 (Gregor von Nyssa, Heiliger Hierarch. De opificio hominis  (Über die Erschaffung des Menschen) (Kapitel 8). - St.Petersburg: АХIОМА, 1995. - S. 22).

[39] Фокин А.Р. Беда Достопочтенный / Православная энциклопедия, Т. 4. - М.: ЦНЦ «ПИ», 2002. - С. 429 (Fokin A.R. Beda Venerabilis / Orthodoxe Enzyklopädie, Band 4. - Moskau: „PI" Kirchlich-Wissenschaftliches Zentrum, 2002. - S. 429).  Callistus der Bischof von Dioclea. Durch die Geschöpfe zum Schöpfer. - Moskau: Abteilung für Katechese und religiöse Bildung der Russischen Orthodoxen Kirche, 1998. - S. 19-20.
Es sollte allerdings angemerkt werden, dass diese Etymologie, die auf die Antike zurückgeht (zum Beispiel Plat. Tim. 90a), eher willkürlich und „volkstümlich" ist.

[40] Максим Исповедник, преподобный. Мистагогия//Творения. Кн. I. Аскетические и богословские трактаты / Пер. с др.-греч. и комм. А. И. Сидорова. - М.: Мартис, 1993. - С. 172 (Maximus der Bekenner, Ehrwürdiger. Mystagogie // Die Werke. Buch 1. Asketische und theologische Traktaten. Aus dem Altgriechischen übersetzt und kommentiert von A.I. Sidorow. - Moskau: Martis, 1993. - S. 172).

[41] Ириней Лионский, свяитель. Против ересей. Книга V / Творения. - СПб., 1900. - С. 455 (Irenäus von Lyon, Heiliger Hierarch. Gegen die Häresien. Buch 5 / Die Werke. - St.Petersburg, 1990. - S. 455).

[42] PG. 151. 204А. Zit. nach: Макаров Д. И. Антропология и космология св. Григория Паламы (на примере гомилий). - СПб.: «Издательство Олега Абышко», 2003. - С. 200-201 (Makarow D.I. Anthropologie und Kosmologie des Hl. Hierarchen Gregor Palamas (am Beispiel der Homilien). - St.Petersburg: „Oleg Abyschko Verlag", 2003. - S. 200-201.

[43] Heiliger Hierarch Philaret Drosdow (russ. Филарет Дроздов, 1782-1867) war von 1826 bis 1867 Metropolit von Moskau. Er war einer der größten orthodoxen Theologen des 19. Jahrhunderts. Von 1812 bis 1819 war er Rektor der St.Petersburger Geistlichen Akademie, wo er das Programm der unterrichteten Fächer radikal modernisierte. Als Professor für Theologie unterrichte er selbst Altes Testament und Kirchengeschichte. Seit 1818 war er Mitglied der Russischen Akademie. Unter anderem verfasste er einen Katechismus und initiierte die Übersetzung der Bibel, die im damaligen Russland nur als kirchenslawische Übersetzung vorhanden war, ins Russische. 1994 war er von der Russischen Orthodoxen Kirche heilig gesprochen. (Anm.d.Ü.)

[44] Филарет (Дроздов), святитель. Толкование на книгу Бытия. - М.: Русскiй Хронографъ, 2004. - С. 49 (Philaret (Drozdow), Heiliger Hierarch. Auslegung des Buches Genesis. - Moskau: Russkij Chronograph. 2004. - S. 49).

[45] Der Ehrwürdiger Justin Popović (1894-1979) war ein bedeutender Theologe der Orthodoxen Kirche im 20. Jahrhundert, dessen Denken von der Bemühung um die Bewahrung der authentischen Überlieferung der Orthodoxie mit Blick auf die moderne Welt geprägt war. Er war u.a. bekannt als Philosoph, Dostojewski-Experte, Verfechter des Anti-Kommunismus, Schriftsteller und Kritiker des Pragmatismus im kirchlichen Leben sowie des Ökumenismus. (Anm.d.Ü.)

[46] Иустин (Попович), преподобный. О первородном грехе / Православная философия истины: статьи. - Пермь, 2003. - С. 126-127 (Justin (Popović), Ehrwürdiger. Über die Ursünde / Die orthodoxe Philosophie der Wahrheit: Artikel. - Perm, 2003. - S. 126-127).

[47] In der Heiligen Schrift sind diese Begriffe häufig synonym und austauschbar, so wie es in den obenstehenden Zitaten aus den heiligväterlichen Werken zu sehen ist.

[48] Troitskij, Sergej Viktorowitsch (1878, Russland - 1972, Jugoslawien) war ein orthodoxer Theologe, Experte für das kanonische Recht und die Kirchengeschichte. Nach dem 2. Weltkrieg kritisierte er entschlossen das Karlowitzer-Schisma, das er in den 20er Jahren unterstützt hatte. (Anm.d.Ü.)

[49] Троицкий С. В., проф. Христианская философия брака. - Клин: Фонд « Христианская жизнь», 2001. - С. 98-103 (Troitskij S.W, Prof. Christliche Philosophie der Ehe. - Klin, „Christliches Leben" Stiftung, 2001. - S. 98-103).

[50] Мень А. История религии: в поисках пути, истины и жизни. Кн. I. - М.: Издательский дом «Форум»-«Инфра-М», 1997. - С. 16-17 (Men. A. Die Geschichte der Religion: auf der Suche des Weges, der Wahrheit und des Lebens. Buch 1. - Moskau. „Forum"-„Infra-M" Verlagshaus, 1997. - S. 16-17; Мерперт Н.Я. Очерки археологии библейских стран. - М.: Библейский институт св. ап. Андрея, 2000. - С. 8-11 (Merpert N.J, Essays über die Archäologie der biblischen Länder. - Moskau. St. Ap. Andreas Institut für Bibelwissenschaft, 200 - S. 8-11); Муравник Г.Л. «Ибо прах ты и в прах возвратишься» // Х международные Рождественские образовательные чтения. Христианство и наука. Сборник докладов. - М.: Отдел религиозного образования и катехизации Московского Патриархата, 2003. - С. 357-379 (Murawnik G.L. „Denn Staub bist du, und zum Staub wirst du zurückkehren" // 10. Internationale Weihnachtliche Bildungslesungen. Christentum und Wissenschaft. Sammlung der Vorträge. - Moskau: Abteilung für religiöse Bildung und Katechese des Moskauer Patriarchats, 2001 - S. 322-350).

[51] Муравник Г.Л. Парадокс человека: новый взгляд на старую проблему // Рождественские чтения-2001. Христианство и наука. Сборник докладов. - М.: Отдел религиозного образования и катехизации Московского Патриархата, 2001. - С. 347-348 (Murawnik G.L. Das Paradoxon des Menschen: ein neuer Blick auf das alte Problem // Bildungslesungen-2001. Christentum und Wissenschaft. Sammlung der Vorträge. Moskau: Abteilung für religiöse Bildung und Katechese des Moskauer Patriarchats, 2001 - S. 347-348).

[52] Гальбиати Э., Пьяцца А. Трудные страницы Библии: Ветхий Завет. - Милан-Москва: Христианская Россия, 1992. - С. 91 (Galbiati E., Piazza A. Die schwierigen Seiten in der Bibel: das Alte Testament. - Mailand-Moskau: Christianskaja Rossija, 1992. - S. 91).
 
[53] Григорий Богослов, святитель. Слово 38 / Творения. Т. I. - М.: Свято-Троицкая Сергиева Лавра, 1994. -С. 527 (Gregor von Nazianz, Heiliger Hierarch. Wort 38 / Die Werke. Band 1. - Moskau: St. Sergius-Dreiheitslavra, 1994. - S. 527).

[54] S. http://www.orthpedia.de/index.php/Theophan_der_Klausner. (Anm.d.Ü)

[55] Феофан Затворник, святитель. Собрание писем. Т. I. - М., 1994. - С. 39 (Theophan der Einsiedler, Heiliger Hierarch. Sammlung der Werke. Band 1. - Moskau, 1994. - S. 39). 

[56] Der Ehrwürdige Seraphim von Sarow (russ. Серафимм Саромвский, 1759 - 1833) ist als der größte Starez und Asket des 19. Jahrhunderts bekannt. Als Seelenführer und  Seelsorger vermittelte er die Lehre der Kontemplation und der Selbstverneinung an Laien, und lehrte, dass das Ziel des christlichen Lebens die Erlangung des Heiligen Geistes ist. Seraphim wurde von der Russisch-Orthodoxen Kirche 1903 heilig gesprochen. (Anm.d.Ü.)

[57] Серафим Саровский «Беседа о смысле христианской жизни». Цит. по: Кураев А., диак. Мужчина и женщина в Книге Бытия // Альфа и Омега. - М., 1996, №2/3-(9/10). - С. 272 (Seraphim von Sarow. „Ein Gespräch über den Sinn des christlichen Lebens". Zit. nach: Kurajew A., Diakon. Der Mann und die Frau um Buch der Genesis // Aplha und Omega. - Moskau, 1996, №2/3-(9/10). - S. 272).

[58] Филарет (Дроздов), святитель. Толкование на книгу Бытия. - М.: Русскiй Хронографъ, 2004. - С. 67 ((Philaret (Drozdow), Heiliger Hierarch. Auslegung des Buches Genesis. - Moskau: Russkij Chronograph. 2004. - S. 67).

[59] Максимов Ю. Богословские аспекты проблемы согласования православного и эволюционного учений о происхождении человека / Шестоднев против эволюции в защиту святоотеческого учения о творении. - М.: Паломник, 2000. - С. 129-138.

[60] Феофан Затворник, святитель. Мысли на каждый день года по церковным чтениям из Слова Божия. Цит. по: Максимов Ю. Богословские аспекты проблемы согласования православного и эволюционного учений о происхождении человека / Шестоднев против эволюции в защиту святоотеческого учения о творении. - М.: Паломник, 2000. - С. 133 (Theophan der Einsiedler, Heiliger Hierarch. Gedanken zu jedem Jahrestag nach den kirchlichen Lesungen aus dem Wort Gottes. Zit. nach: Maximow J. Theologische Aspekte des Problems der Übereinstimmung der orthodoxen Lehre und der Evolutionstheorie bezüglich der Entstehung des Menschen. / Hexaemeron gegen die Evolution zum Schutz der heiligväterlichen Lehre über die Schöpfung. - Moskau: Palomnik, 2000. - S. 133)

[61] Wyscha ist ein Dorf, in dessen Nähe sich das Kloster befindet, in dem der Hl. Theophan die letzten Jahre seines Lebens in der Einsiedlerei verbrachte. (Anm.d.Ü)

[62] „...Adam war nicht tot erschaffen, sondern als ein agierendes animalisches Geschöpf, ähnlich den anderen auf Erden lebenden beseelten Geschöpfen. Die Kraft liegt aber darin, dass, falls Gott der Herr danach nicht den Atem des Lebens in sein Gesicht gehaucht hätte, also keine Gnade von Gott dem Herrn, dem Heiligen Geist, (...), dann wäre Adam, wie vorzüglich auch immer er erschaffen war, als die Krönung der Schöpfung auf Erden, die über alle andere Geschöpfe emporragte, doch ohne Heiligen Geist in seinem Inneren geblieben, also allen anderen Geschöpfen ähnlich. Das heißt, auch wenn er sowohl den Leib als auch die Seele als auch den Geist gehabt hätte, die jeder nach seiner Art besitzt, hätte er in seinem Inneren keinen Heiligen Geist gehabt" (Seraphim von Sarow, Ehrwürdiger. Belehrungen). Zit. nach: Максимов Ю. Богословские аспекты проблемы согласования православного и эволюционного учений о происхождении человека / Шестоднев против эволюции в защиту святоотеческого учения о творении. - М.: Паломник, 2000. - С. 130-131 (Maximow J. Theologische Aspekte der Frage der Übereinstimmung der orthodoxen Lehre mit der Evolutionstheorie bezüglich der Entstehung des Menschen. / Hexaemeron gegen die Evolution zum Schutz der heiligväterlichen Lehre über die Schöpfung. - Moskau: Palomnik, 2000. - S. 130-131).

[63] Jurij Maximow ist ein orthodoxer Religionswissenschaftler, Lehrer an der Moskauer Geistlichen Akademie und Mitglied der synodalen Arbeitsgruppe zur Erarbeitung des Konzepts der interreligiösen Beziehungen der Russischen Orthodoxen Kirche. (Anm.d.Ü.)

[64] Максимов Ю. Богословские аспекты проблемы согласования православного и эволюционного учений о происхождении человека / Шестоднев против эволюции в защиту святоотеческого учения о творении. - М.: Паломник, 2000. - С. 125-127 (Maximow J. Theologische Aspekte der Frage der Übereinstimmung der orthodoxen Lehre mit der Evolutionstheorie bezüglich der Entstehung des Menschen. / Hexaemeron gegen die Evolution zum Schutz der heiligväterlichen Lehre über die Schöpfung. - Moskau: Palomnik, 2000. - S. 125-127).

[65] Erzpriester Leonid (Tsypin), Dr. theol., Vorsteher der. Gemeinde der Heiligen Dreiheit zu Dortmund, ist graduierter Physiker, der sich mit Relativitätstheorie und Anthropologie befasste, mehrere Erfindungen patentieren ließ und zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten publizierte. Er widmet sich der wissenschaftlichen Tätigkeit im Grenzbereich von Naturkunde und Theologie. Sein Hauptschwerpunkt ist die biblische Darstellung  der Erschaffung der Welt durch Gott. (Anm.d.Ü.)

[66] Цыпин Л., свящ. Так чем же являются Дни Творения? Центральная проблема экзегетики Шестоднева. - Киев: Пролог, 2005. - С. 139 -142 Tsypin, L., Priester. Was sind denn also die Schöpfungstage? Das zentrale Problem der Exegese des Hexaemerons. - Kiew: Prolog, 2005. - S. 139-142).

[67] Григорий Нисский, святитель. Об устроении человека (Главы 28-29). - СПб.: АХIОМА, 1995. - С. 92-93 (Gregor von Nyssa, Heiliger Hierarch. De opificio hominis  (Über die Erschaffung des Menschen) (Kapitel 8, 9, 16). - St.Petersburg: АХIОМА, 1995. - S. 92-93).

[68] Иоанн Дамаскин. Точное изложение православной веры. - М.: Лодья, 1998. - 465 с. - Репр.: СПб., 1894. - С. 79 (Johannes von Damaskus. Genaue Darlegung des orthodoxen Glaubens. - Moskau, Lodja, 1998. - 465 S. - Abdruck: St.Petersburg, 1894- S. 79)

[69] Лопухин А. П. Толковая Библия, или комментарий на все книги Св. Писания Ветхого и Нового Завета. Т.I. Пятокнижие Моисеево. - СПб., 1904. - С. 17 (Lopukhin A.P. Die Bibel mit der Auslegung, oder Kommentar zu allen Büchern und Hl. Schriften des Alten und des Neuen Testaments. Band 1. Pentateuch von Moses. - St.Petersburg, 1904. - S. 17). S. auch.: Давыденков О., иерей. Догматическое богословие: Курс лекций. Ч III. - М.,ПСТБИ, 1997. - С. 58-59, 118-120 (Dawydenkow O., Priester. Dogmatische Theologie. Kurs der Vorlesungen. Teil 3. - Moskau, Orthodoxe St.-Tichon Universität für Geisteswissenschaften, 1997).

[70] S. bei dem Ehrwürdigen Johannes von Damaskus (Buch 3, Kapitel 9): „... es gibt keine Natur ohne Hypostase bzw. kein Wesen ohne Person, da sowohl das Wesen als auch die Natur in den Hypostasen und Personen betrachtet werden" ((Иоанн Дамаскин. Точное изложение православной веры. - М.: Лодья, 1998. - 465 с. - Репр.: СПб., 1894. - С. 213-214 (Johannes von Damaskus. Genaue Darlegung des orthodoxen Glaubens. - Moskau, Lodja, 1998. - 465 S. - Abdruck: St.Petersburg, 1894- S. 213-214)).

[71] Иоанн Дамаскин. Точное изложение православной веры. - М.: Лодья, 1998. - 465 с. - Репр.: СПб., 1894. - С. 194-195. (Johannes von Damaskus. Genaue Darlegung des orthodoxen Glaubens. - Moskau, Lodja, 1998. - 465 S. - Abdruck: St.Petersburg, 1894- S. 194-195).

[72] Филарет (Дроздов), святитель. Толкование на книгу Бытия. - М.: Русскiй Хронографъ, 2004. - С. 86-87 (Philaret (Drozdow), Heiliger Hierarch. Auslegung des Buches Genesis. - Moskau: Russkij Chronograph. 2004. - S. 86-87).

[73] S. zum Beispiel: Григорий Палама, святитель. Беседа, произнесенная на Святой Праздник Светов (Богоявление) (Gregor Palamas, Heiliger Hierarch. Homilie, gesprochen am Tag des Heiligen Festes der Lichte (Theophanie)), darin befindet sich auch eine angemessene Erklärung des Mysteriums der Taufe Christi / / Беседы. Т. III. - М. Издание Спасо-Преображенского Валаамского монастыря, 1994. - С. 199-209. - Репр., С. 209 (Homilien. Band 3. - Moskau, Verlag des Hl.-Verklärung Christi- Valaamklosters, 1994. - S. 199-209. - Abdruck, S. 209); Николай Кавасила, преподобный. О жизни во Христе (Слово 6; 132-133). - М.: Издательство Сретенского монастыря, 2006. - С. 126 (Nikolaus Kabasilas, Ehrwürdiger. Über das Leben in Christo (Wort 6; 132-133). - Moskau: Verlag des Eintretenskloster, 2006; Eine Übersicht der  Äußerungen der Heiligen Väter zu diesem Themas s. im Werk: Ким Н., свящ. О христианской антропологии / Рай и человек: наследие преподобного Никиты Стифата. - СПб.: Алетейя, 2003. - С. 280-290 (Kim N., Priester. Über die christliche Anthropologie / Das Paradies und der Mensch: das Erbe des Ehrwürdigen Niketas Stethatos. - St.Petersburg: Aleteja, 2003. - S., 280-290).

[74] Gr. δερματίνους (s. Gen. 3,21 z.B., in der Schlachter 2000 Übersetzung. Laut der Auslegungen der Heiligen Väter geht es hier eben um die Bekleidung der menschlichen Natur in die Verweslichkeit, die Sterblichkeit und die Leidenschaftlichkeit, die den Menschen den mit Fell bekleideten wortlosen Tieren annähern. Mehr dazu s. in Nellas P. Deification in Christ. N.Y., 1987. P. 44-53. (Anm.d.Ü.)

[75] Кирьянов Д., свящ. Дополнительность и проблемы современного диалога науки и богословия (Kirjanow D., Priester. Die Komplementarität und die Probleme des gegenwärtigen Dialogs der Wissenschaft und der Theologie [Elektronische Ressource]. - Zugriff: http://www.bogoslov.ru/text/255941.html.

[76] Ausführlicher s. zum Beispiel: Мумриков О., свящ. Библейский Шестоднев в учебном процессе современной школы (Mumrikow O., Priester. Biblisches Hexaemeron im Lernvorgang der modernen Schule) [Elektronische Ressource]. - Zugriff: http://bogoslov.ru/text/292368.html.

Quelle: Портал Богослов.Ru

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Aktualisiert: 21.07.2010

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